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Finnisch-ugrische Forschungen : Zeitschrift für finnisch-ugrische Sprach- und Volkskunde : Band IV : Heft I-III

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Jaa "Finnisch-ugrische Forschungen : Zeitschrift für finnisch-ugrische Sprach- und Volkskunde : Band IV : Heft I-III"

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(1)

FIN N ISC H -U G R ISC H E

F O R S C H U N G E N

Z E I T S C H R I F T

FÜ R

F I N N I S C H - U G R I S C H E S P R A C H - U N D V O L K S K U N D E

N EB ST

A N Z E I G E R

UN TER MITWIRKUNG VON FACHGENOSSEN

H E R A U SG E G E B E N

VON

E . N. S E T Ä L Ä U N D K A A R L E K R O H N

O R D . P R O F E S S O R D E R F I N N . S P R A C H E U N D A . O . P R O F E S S O R D E R F I N N . U N D V E R G L . L I T E R A T U R I N H E L S I N G F O R S V O L K S K U N D E I N H E L S I N G F O R S

H E L S IN G F O R S R E D . D E R Z E I T S C H R I F T

LEIPZIG

O T T O H A R R A S S O W I T Z

(2)
(3)

F O R S C H U N G E N

Z E I T S C H R I F T

F Ü R

F I N N I S C H - U G R I S C H E S P R A C H - UND V O L K S K U N D E

UNTER MITWIRKUNG VON FACHGENOSSEN

H E K A U SG E G E B E N

VON

E . N. S E T Ä L Ä u n d K A A L E R K R O H N

V I E R T E R B A N D

1904

~ ---

H E L S IN G F O R S R E D . D E R Z E I T S C H R I F T

LEIPZIG

O T T O H A R R A S S O W I T Z

(4)

H E L S IN G F O R S

D R U C K E R E I D E R F IN N IS C H E N L IT T E R A T U R -G E S E L L S C H A F T

1904---I905.

(5)

S e it e Ka r j a l a i n e n K. F . Ü b er M. A . C a strén ’s transskrip-

tion des ostjakisch en in seinen druck- und hand-

s c h r ift e n ... 9 7— 11 2 Kr o h n Ka a r l e. D ie funđorte der epischen g e sän ge

des K a lev ala (mit einer k a r t e ) ... 1 1 2 — 118

— » — D ie geb u rt V äinäm öinens (mit einem facsi-

m i l e b l a t t ) ... 1 1 — 1 9

— » — S am p sa P ellervoin en < [ N jorđr, F reyr? . . 2 3 1 — 248

— » — V äinäm öinens richterspruch und absch ied . 1 1 8 — 13 4

— » — W a s b ed eu tet fi. r u n o ... 7 99° Mi k k o l a Jo o s. J. (N ach trag zum aufsatz K . K roh n ’s

»Sam psa P e lle r v o in e n » ) ... 248 P o i r o t J. R ech erch es expėrim entales sur le d ialecte

lapon d ’I n a r i ...15 3— 23° Sa l m i n e n Vä i n ö. D ie b ed eu tu n g D . E. D . E u ro paeu s’

in der g e sch ich te der einsam m lung finnischer v o l k s p o e s i e ... 13 4 — Sa x é n Ra l f. E tym o log isch es. 1. Fi. p o u k k u ’w ä-

sc h e ’ . 2. Fi. lip p o , lip p a , in a u. la n a (nam en

für f i s c h e r e i g e r ä t e ) ... 9 4 — Se t ä l ä E. N. B e i t r ä g e z u r f i n n i s c h - u g r i s c h e n w o r t k u n d e .

5. Fi. s u r m a ’to ď und verw an d tes . . . . 91 — 94

— » — D em andenken H enrik G ab riel Porth an ’s . . I — 10

— » — Ü b e r die sp rach rich tigkeit. Mit besonderer

berücksichtigung des finnischen Sprachgebrauchs 2 0 — 79

— » — Urfi. r n ... 15 1 — 15 2

(6)

;

(7)

H e n r i k G

a b r i e l

P

o r t h a n

s

.

n efu 3 9 - - 1 8 í6[i 0 4 . 1

D er gedächtnistag, d en w ir heute feiern, ist in m an ch er beziehung ein anderer als der, den das g anze finnische volk vor eini­

g en w ochen zu r h u n d ertsten W iederkehr des geburtstages Jo h a n L udvig R uneberg’s beging. D am als feierten w ir die h u n d ert­

jäh rig e erin n eru n g an ein neues beginnendes leben, je tz t die a n ein abgeschlossenes lebensw erk. D am als feierten w ir die erin n eru n g an eine neue heraufsteigende zeit, die erinnerung a n ein neues w erdendes F inland, heute gedenken w ir einer ins g rab gesu n k en en erinnerungsreichen periode im leben unseres Volkes. D am als feierten w ir das gedächtnis eines dichterkönigs, eines poeten, dessen w erk e bis in die niedrigste hütte im lande g edrungen sind u n d die herzen des gan zen volkes entzündet haben, heute blicken w ir au f einen h ervorragenden U niversitätslehrer u n d w issenschaftsm ann, der seine w ichtigsten w erke in der nur w en ig en seiner landsleute verständigen lateinischen spräche

1 A u s e in e r f e s t r e d e b e i d e r g e d ä c h t n i s f e i e r d e r f in n is c h e n S t u d e n t e n s c h a f t a m 1 6 . m ä r z 1 9 0 4 , w o h u n d e r t j a h r e s e i t Po k t h a ns t o d e v e r s t r i c h e n w a r e n .

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2 E . N . Se t ä l ä.

veröffentlicht h at u n d für dessen gan zes schaffen — nicht die hinreissende, herzervvärm ende begeisterung des dichters, so n d ern die kühle, leidenschaftlose kritik des W issenschaftsm annes k e n n ­ zeichnend w ar.

F in d et sich d en n — so m ag m an fragen — trotzdem in dem w irken dieser beiden m än n er, des dichters und des for- schers, etw as gem einsam es, w a s ihr an d en k en einem g a n ­ zen volke so teuer m acht? D as g an ze finnische volk h a t ja H enrik G abriel P o rth an ebensow ohl seine denksäule errichtet w ie Jo h a n Ludvig R uneberg die seine. G ew öhnlich bleibt ja die arbeit des w issen sch aftsm an n es in d en äug en des g ro ssen publikum s w enig beachtet. Diese arbeit w ird im stillen arbeitskäm m erlein,.

fern den blicken des g rossen publikum s verrichtet. G ew ö h n ­ lich opfert der w issen sch aftsm an n die arbeit seines gan zen lebens der ro d u n g u n d b eb au u n g eines kleinen speziellen feldes in der sicheren Überzeugung, d ass es keinen anderen w e g giebt zu dem gesam ten w issen der m enschheit beizutragen als den b esch w er­

lichen, steinigen pfad der Spezialforschung. H äufig verm ögen seine forschungen erst in gem einschaft m it den en vieler m itarbeiter a u f dem selben gebiete zu bedeutenden ergebnissen zu führen.

N ur in dem fall, d ass das arbeitsfeld des forschers das tägliche leben n ä h e r berührt und d ass seine arbeit zu g rossen entdeckun- gen führt, die für das praktische leben bedeu tu n g besitzen, n u r in diesem fall lenkt sie au ch die aufm erksam keit des gros­

sen publikum s a u f sich. O der auch in dem fall, d ass der forscher seine g eđ an k en zu einem m ächtigen strah len d en g e d a n ­ k enbau, zu einem system ausgestaltet hat, d as das all der w eit erklären und durchleuchten will. D och H enrik G abriel P o rth a n w a r w ed er ein w issen sch aftsm an n dieser noch je n e r art.

P o rth a n w a r lehrer d er beredtsam keit, d. h. eigentlich der röm ischen literatur, an der Universität zu Åbo. Beim u nterricht in diesem fach lenkte er die Studien in eine neue b a h n : er leitete seine schüler nicht n u r a n die sp räch e der rö m er k ennen

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zu lernen, so n d ern auch das leben, dessen dolm etscher diese spräche u n d literatur w aren . S ein akadem ischer u n terrich t u m ­ fasste zu gleicher zeit m anche andere gegenstände. B esonders führte er seine schüler u n ter h eran zieh u n g von p raktischen beispielen au s dem täglichen leben in die philosophie der zeit ein und erörterte dieselbe m it ihnen und erw eckte so in den ju n g e n leu­

ten die lust sich m it d en w ichtigsten fragen der zeit u n d der m enschheit zu beschäftigen. U nd au sser vom katheder herab w irkte er durch seine persönliche anleitung a u f seine sch ü ler:

er hielt schriftliche Übungen mit d en Studenten der beiden lands- m an n sch aften ab, deren P räsident er w ar, er las m it den Stu­

d enten und erklärte ihnen erzeugnisse der ausländischen zeit­

genössischen literatur, er korrigierte ihre aufsätze, schlug ihnen them en für U ntersuchungen vor, g ab ihnen von seinen ideen, u n d w e n n sie ihre arbeiten vollendet hatten, verbesserte er aberm als, w as sie zu w ege gebracht hatten. U nd bei seiner lehrtätigkeit und oftm als im Z usam m enhang dam it veröffentlichte er selbst w issenschaftliche w erke. So geschah es, d a ss er der ein­

flussreichste lehrer an der gan zen Universität w urde. „E inen zw e i­

ten solchen le h re r“, sagte denn au ch n ach seinem tode einer sei­

n e r schüler, „hat die Universität zu Åbo nie g e h a b t.“ E r w irkte ausserdem hingebend für die interessen der Universität und ihrer institute: für die bereicherung ihrer bibliothek — einer einrich- tu n g , deren Verwalter er gew esen w a r und deren geschichte er geschrieben h at — und für die pflege der angelegenheiten der Universität im allgem einen. D er Universität verm achte er bei seinem tode alle seine habe, deren bester teil seine w ertvolle b ü ch ersam m lu n g w ar. U nd zugleich gab es auch keine an d ere m enschliche frage — h u m a n i n i l — , w a s ihm frem d g ew esen w äre. E r förderte die d ichtung u n d die literatur ü b erh au p t: er g ründete eine gesellschaft für literarische bestrebungen u n d auch die erste Zeitung in F inland. E r n ah m teil a n der belebung der landw irtschaftlichen bestreb u n g en : er w a r einer der g rü n d e r

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4 E . N . Se t ä l ä.

der finländischen landw irtschaftlichen geseilschaft, er w a r m it- glied der direktion für die reinigung der W asserfälle.

Alles dies ist arbeit, vor der m an h o ch ach tu n g fühlen m uss; es ist zugleich arbeit, die in der geschichte eines so kleinen Volkes w ie das unsrige auch noch in der folgezeit e rw ä h n u n g verdient. A ber trotz alledem ist dies keine arbeit, z u deren erin n eru n g die Völker d enkm äler errichten, deren a n d en k en die h e ra n w a c h sen d e n Studentengenerationen noch h u n d ert ja h re n ach d e r beendigung der arbeit m it gedächtnisfeiern begehen - soviel Ursache sie au ch h ätten eines lehrers zu g ed e n ­ ken, der seinen Schülern sein bestes gegeben hat. In d er art

seiner arbeit m uss sich also doch n och etw as besonderes verbergen, w a s ihr eine bedeu tu n g von solcher tragw eite verleiht.

O bw ohl F in lan d dam als einen teil des schw edischen reiches bildete, hatte doch in den finnen die a n sc h a u u n g platz g e­

griffen, d ass ihr land bei seiper geographischen läge, den eigenheiten, sitten, der spräche und S tam m eserinnerungen seines Volkes etw as anderes sei als n u r eine schw edische provinz. U nd diese an sc h a u u n g b eg an n auch in der literatur au fzutauchen.

In d en akadem ischen dissertationen, in denen das lob der hei- m at in panegyrischen au ssp rü ch en erhoben w urde, b egann ein ton durchzuklingen, w elcher bew ies, d ass den disserenten, w e n n vielleicht au ch n u r verschw om m en, ein bild von einer gem einschaftlichen finnischen heim at, ja einem Vaterland, v o r­

schw ebte. U nd P o rth an zeigte, dass diese heim at stoff zu w is­

senschaftlichen fo rschungen darbot.

M an h atte schon vor P o rth an der erforschung der geschichte u n d Verhältnisse der heim at seine aufm erksam keit zu g ew andt.

V or allen än d ern ist als Vorgänger und an reg er P o rth a n ’s sein v erw an d ter D aniel Juslenius zu n en n en , der das land, w o seine w iege stand, ebenso w a rm liebte w ie P orthan, der aber im gleichen m asse p h an tastisch w ie P o rth an kritisch an gelegt w ar.

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E rst P o rth an w a r es, der als der erste a u f die erforschung der h e i m a t l i c h e n g e s c h i c h t e eine w irklich w issenschaftliche m ethode an w an d te, zu der in erster linie die kritische W ertschät­

zu n g der quellen gehörte. U nd so gab er, allerdings nicht in zu sam m en h än g en d er darstellung, sondern — als ein echter philo- loge — in den an m erk u n g en zu einer von ihm veröffentlichten Chronik, eine Schilderung des finnischen m ittelalters von der zeit ab, w o die finnen m it dem Christentum und den ersten an fän g en der abendländischen kultur b ek an n t g em acht w urden, bis z u r reform ation, w o sich die kirche dem volke in dessen eigener spräche zu n äh ern begann.

A ber seinem historikerblick schw ebte noch ein w eiteres ziel vor. P o rth an wollte klarstellen, wie die kultur aussah, die die finnen v o r ihrer beeinflussung durch die abendländische kirche u n d gesittung besassen, w ie u n d w a n n sie in ihre jetzige heim at gekom m en w a re n und w o ihre Urheimat lag. U nd er begriff, d ass es zu r b ean tw o rtu n g dieser fragen eine quelle, einen zeugen gab, w elcher redete, w o die übrigen zeugen schw ie­

gen : die s p r ä c h e des Volkes. P o rth an w a r es klar, d ass die spräche ein produkt der m enschlichen k ultur ist, das mit der m enschlichen kultur w äch st und sich mit ihr entw ickelt, dass die m enschliche spräche m it dem m enschlichen denken hand in h an d g egangen ist und den g edanken — das ist: die ent- w icklung der m enschlichen kultur — w iederspiegelt. E r schaute also die dinge hinter den Worten. Der gedanke, d ass die spräche die geschichte des volkes beleuchten könne, w a r z w a r nicht d u rch au s neu, aber in der w eise w ie ihn P o rth an anw endete, w'ar er neu. E in ähnliches gesam tbild einer vorhistorischen k u l­

tur au f sprachlicher grundlage, w ie es P o rth an als frucht dieser forschungen a u f dem finnischen gebiet entw arf, w a r vorher nicht geliefert w orden, w eder a u f indoeuropäischem noch au f finnischem boden, u n d die d u rch fü h ru n g dieses ged an k en s behält ihren w ert, auch nach dem die direkten ergebnisse der forschung veraltet sind.

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6 E . N . Se t ä l ä,

P o rth an w a r es also bew usst, d ass die finnische spräche einen teil der finnischen ku ltu r ausm achte. U nd er begriff, d ass m an diese spräche w issenschaftlich nicht verstehen konnte, ohne ihre stam m v erw an d ten zu studieren u n d zu erk en n en , w a s sie m it je n e n gem einsam es hatten, ohne au ch die bestand- teile z u erforschen, die au s an d eren sp rach en in das finnische eingedrungen w aren , w elche zu ihr nicht in v erw an d tsch aft­

lichen beziehungen standen. U nd zu diesem zw eck richtete er n eb en seinen forschungen in der finnischen spräche seinen blick a u f diese gebiete: w äh re n d er m aterialien zu r erk en n tn is der finnischen spräche sam m elte u n d ihren W ortschatz a u f seine h erk u n ft untersuchte, dehnte er zugleich seine forschungen au f die f i n n i s c h - u g r i s c h e n s p r a c h e n aus, w obei er die bis zu dieser zeit so beliebten V ergleichungen mit dem hebräischen u n d griechischen au s dem spiel liess. U nd seinem forscherauge zeigten sich die um risse eines gew altigen forschungsgebäudes, das er aufrichten w ollte: ein g rosses etym ologisches finnisches W örterbuch, w elches die Wörter der finnischen sp räch e und ihre h erkunft erklären sollte. Dieser plan liess sich freilich nicht verw irklichen, er führte n u r zu r Sam m lung von m ateri­

alien und der Z usam m ensetzung von G an an d er’s grossem h an d ­ schriftlichen W örterbuch. D as untern eh m en w a r au ch ein zu g rosses —, seine au sfü h ru n g gehört noch in dieser stunde in das bereich der from m en w ü n sch e — aber es verdient fest­

genagelt zu w erden als ein zeugnis dafür, w ie hoch sich P o rth an sein ziel gesteckt hatte.

G egenstand der forschungen P o rth a n ’s w a re n w eiterhin — und z w a r sch o n b e v o r er sich seinen geschichtlichen Unter­

su ch u n g en zu w an d te — die d i c h t u n g d e s f i n n i s c h e n V o l ­ k e s u n d s e i n e a l t e r e l i g i o n . E r sam m elte lieder des fin­

nischen Volkes, er u ntersuchte die art, den bau und die bedeu- tu n g der finnischen rune. E inerlei ob die aufm erksam keit, die anlässlich des ersch ein en s der O ssianischen gesän g e die volks­

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poesie a u f sich gezogen, auch bei uns sch o n die gem üter gefesselt hatte, — jedenfalls ist schon die w ä h l eines solchen g eg en stan d s der forschung etw as g an z besonders b em erkens­

w ertes. U nd au sser von der seite des Stoffes u n d ihrer ergeb- nisse sind diese forschungen in der hinsicht zu beachten, dass w ir in ihnen g edanken zu tage treten sehen, die noch lange n ach P o rth a n ’s zeit früchte getragen haben. Bei der Unter­

su c h u n g einer finnischen zau b erru n e vergleicht er die letztere einm al m it einer schw edischen u n d schliesst a u f e n t l e h n u n g d er finnischen, in dem er zugleich dem g ed an k en ausdruck giebt, d a ss sich Ü bereinstim m ungen in der Volksdichtung nicht im m er bloss au s einer allgem einen psychologischen ähnlichkeit der m enschen erklären lassen, so n d ern d ass es fälle giebt, w o die en tleh n u n g von einem volk a n das andere offenbar ist. W ir h aben da also den g edanken von dem w a n d e r n der volks- poesiem otive, einen gedanken, der zu den ecksteinen der m ethode d e r heutigen vergleichenden V olksdichtungsforschung gehört.

Und bei der b eh an d lu n g der finnischen dichtung hat P orthan einige male verschiedene liedervarianten in eins z u s a m m e n ­ g e s c h m o l z e n , von der auffassung ausgehend, d ass die lieder­

varianten ähnliche verderbte lesarten seien, w ie die verschiedenen h andschriftenvarianten, die der klassische philologe mit einander vergleicht und au s denen er durch kom bination die u rsp rü n g ­ liche, richtige lesart herstellt. F ü r u n s h a t diese auffassung heutzutage zw a r keine w issenschaftliche giltigkeit m ehr. Aber w ir m üssen bedenken, w ie sich in der auffassung, d ass der erforscher der Varianten beim Z usam m enarbeiten derselben die bruchstücke einer alten zerschellten dichtung zusam m enfügte und diese aus je n en neu a u f baute, also das ursprüngliche dichtw erk r e ­ k o n s t r u i e r t e , — w ie sich in dieser auffassung die m otive v erb ar­

gen, die zu r Z usam m ensetzung des K a l e v a l a s hingeleitet haben.

W ir sehen, P orthan besass einen kritischen blick, der das richtige vom falschen zu unterscheiden v e rs ta n d ; w ir sehen ferner,

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8 E . N . Se t ä l ä.

d ass er ein w eitau ssch au en d es auge besass, ein auge, das w eiter blickte, als es vielleicht bei allen seinen Zeitgenossen der fall w ar.

Aber nicht hierin lag seine eigentliche grösse, sie lag — um die n a ­ tionale bedeutung seines w irkens m it einem w orte zu bezeichnen — darin, d ass er der b e g r ü n d e r d e r n a t i o n a l e n W i s s e n ­ s c h a f t in F in lan d w ar. E s handelt sich hier nicht um n atio ­ n ale W issenschaft in dem sinne, d ass diese W issenschaft in ihrer m ethode, ihrer forsch u n g sart besonders finnisch gew esen w äre, so n ­ dern in dem sinne, d ass hier aller m enschlichen forschung gem ein­

sam e prinzipien a u f nationale g eg enstände a n g e w a n d t w u rd en . D arin bestand P o rth a n ’s grösse, d ass er m it e i n e m b l i c k d as gesam te nationale arbeitsfeld in seinem g an zen u m fan g erfasste — das arbeitsfeld, au f dem die finnische W issenschaft auch in späteren zeiten ihre besten beitrage zum schätze der m enschlichen W issenschaft, der m enschlichen kultur h at d a r­

bieten können.

„U n ter dem einfluss eines unsich tb aren g em einsam en geis- te s,“ sa g t Jo h a n Jak o b T en g strö m in seiner personengeschichte der Universität zu Åbo, „begann P o rth an , auch er an seinem platz, die aufm erksam keit a u f die finnische nationale d ichtung un d die finnische spräche zu lenken, in V erbindung w om it sp äter d an n auch die historische geschicke des volkes gegen­

stän d seiner forschungen w u rd e n .“ D ieser „unsichtbare gem ein­

sam e g eist“, u n ter dessen einfluss P o rth an arbeitete, das w a r der finnische nationalgeist, der noch nicht zum klaren bew usst- sein seines Zieles erw ach t w ar. „E s ist jedoch m öglich“, schreibt Jo h a n Vilhelm S n ellm an in einem aufsatze, in dem er die be­

d eu tu n g P o rth a n ’s schildert, „dass P o rth an verstand, dass diese arbeit über die finnische spräche, d as finnische altertum und die finnische d ichtung licht zu verbreiten aus einer blossen w issenschaftlichen und literarischen beschäftigung zu einer arbeit w erd en könne, die für die selb sterh altu n g des finnischen volkes von bedeu tu n g sein w ü rd e .“ W ä re aber diese an sc h a u u n g

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P orthan auch nicht im entferntesten bew u sst gew esen , so h a t seine arbeit doch a u f alle fälle diese bedeutung erlangt. S ein interesse für die finnische d ichtung setzte sich in d e r folgezeit im sam m eln von liedern fort, es führte schliesslich zu d er arbeit E lias L ö n n ro ťs und dem erscheinen des K alevalas, ä h n ­ lich w ie sein interesse für die erío rsch u n g der m it dem finni­

schen v erw an d ten sp rach en sich in M atthias A lexanders C astrén ’s nationale u n d w issenschaftliche begeisterung atm ender arbeit fortsetzte. P o rth a n ’s geist hatte F ra n s Mikael F ra n z é n ’s dich­

tu n g berührt, in dem w ir Jo h a n L udvig R uneberg’s Vorgänger erkennen. U nd w eiter, w ie S nellm an sagt, „dass seit P orthan spräche, geschichte und d ich tu n g des Vaterlands gegenständ der forschung gew esen sind, h at eine notw endige V orbedingung dazu gebildet, dass an diesem tage die aufm erksam keit den heutigen V erhältnissen des Vaterlands, der förderung seiner m ateriellen und geistigen interessen zugekehrt ist.“ U nd so ist es dahin g e ­ kom m en, d ass — um m ich noch einm al S n ellm an ’s w orte zu bedienen — „das finnische volk heute als g egenständ seines n ationalbew usstseins nicht n u r seine spräche, seine geschichte u n d seine dichtung, so n d ern auch seine gesetze u n d einrichtun- gen, seine soziale u n d politische tätigkeit — dies alles als sein eigen, als den besitz des fin n isch en volkes in n eh ab en w ill.“

Die erin n eru n g an P o rth an ist also geeignet u n s zu zei­

gen, w elche b edeutung die w issenschaftliche arbeit für ein volk zu einer zeit haben k an n , w o die anderen form en des n a tio n a­

len lebens verdorrt sind, w ie sich darin sam en für eine zu k ü n f­

tige frucht verbergen k ö n n e n ; sein an d en k en ist geeignet die b edeutung der w issenschaftlichen forschung in den äugen des g an zen volkes hoch zu erheben.

Zu der nationalen bedeutung, die P o rth a n ’s w irken für u n s finnen hat, fügt sich die allgem einm enschliche bedeutung dieser lebensarbeit. Als der eigentliche begrü n d er der finnischen w issenschaftlichen philologie hat er, dieser letzte polyhistor an

(16)

I O E . N . Se t ä l ä,

der finländischen Universität, ein wissenschaftliches feld erschlos­

sen, dessen aufgabe es ist den geistigen besitz eines ganzen volkstam m es dem menschlichen w issen einzuverleiben, und das ist ein verdienst, w elches in der geschichte der Wissenschaft unauslöschlich bestehen bleiben wird.

H e ls in g f o r s d e n 16. m ä r z 1904.

E. N. Setälä.

(17)

(K alevala I v. 105-150, 289-344.)

„Die ächtheit des in die neue K alevala aufgen o m m en en liedes von V äinäm öinen’s g e b u rt“, so äu ssert sich C a s t r é n in se in er F innischen M ythologie (286), „scheint m ir auch aus dem g rü n d e zw eifelhaft, als es von dem selben gesan g e eine Variante giebt, die sow ohl m ehr inneren Z usam m enhang h at als auch d ad u rch einen altern, ursprünglichen Charakter verrät, d ass sie überall im lande verbreitet ist. N ach dieser Variante h atte der w in d in gem einschaft m it L o v iatar, des todes tochter, die v er­

d erblichen plagegeister hervorgebracht, w elche es in der w eit giebt. Diese V erbindung w ird in den runen als ungesetzlich betrachtet, sie passt aber rech t w ohl zu r scheusslichen todes- to ch ter u n d zum leichtsinnigen w inde. E s ist auch g an z n a ­ türlich, dass die bösen geister ihren U rsprung vom w inde h e r­

leiten, der den m enschen so m anchen schaden und so m anches Unglück bringt. Nicht seh r stim m t es ab er zu V äin äm ö in en ’s ernstem , festem , redlichem , gründlichem w esen u n d Charakter, d a ss er von einem so flüchtigen vater wie der w ind h e rsta m ­ m en sollte, und gan z u nvereinbar scheint es m it der tiefen a c h tu n g zu sein, w elche der g esan g stets dem V äinäm öinen spendet, d ass ihm eine unäch te g eburt zuertheilt w ird. Alles d ies scheint g an z klar anzudeuten, dass der g e sa n g von V äi­

n ä m ö in en ’s herkunft, w ie er in der neuen K alevala-ausgabe vorkom m t, nicht ursprünglich ist, so n d ern eine a u s späterer zeit stam m ende U m gestaltung der ru n e von der geburt der Plagegeister.“

B em erkensw ert ist, dass C a s t r é n bei der beurteilung v er­

schiedener Varianten nach ihrer Ursprünglichkeit ein kriterium d e r m odernen folkloristischen forschung h ervorhebt: die allge­

(18)

12 Ka a r l e Kr o h n.

m eine oder besch rän k te geographische Verbreitung. E in evi­

d enteres beispiel hätte er kaum finden kön n en . D enn d e r U rsprung der n eu n übel oder k rankheiten (K alevala r. 45) ist in Ost- und N ord-F inland, R ussisch-K arelien und In g erm an lan đ verbreitet, die parallele g eburt V äinäm öinens dag eg en ist bloss durch zw ei aufzeich n u n g en vertreten. Die eine ist u n s in G a - n a n d e r ’ s M ythologia F en n ica (34) erhalten, o hne ortsbezeich- n u n g , aber w ahrscheinlich au s Ö sterbotten.

K a v e u k k o , p ohjan H erra, Ikäinen iku T u rilas,

Isä van h a V äinäm öisen, M akais äitinsä koh dusa K olm e kym m en dä k e seä ; 5 Ik äv y sty i aikojaan,

O u d ostu i eläm itään;

V ijlaisi äitinsä kohdun, P o tkaisi punaista tuota, Sorm ella nim ittöm ällä, 10 V asem m alla varpahalla . . . P äästi sotam iehen m iekkoneen, S atu loineen orihin,

K u p eh esta kun[n]ottaran, L ap sen vaim on lappiosta . . . 15

K a v e greis, d er herr des nor- dens, T u rilas der e w ig alte, A lte r va ter V äinäm öinens, S c h lie f im leib e sein er m utter E in e z e it von d reissig som m ern ; Ihm zum Überdruss die z e it w a rd , Ihm das leben seltsam d ü n kte;

E r den m utterlieb aufritzte, U nd stiess g e g e n dieses rote, Mit dem nam enlosen (ring-)finger, Mit dem zeh des linken fu sses . . . B efreite den k rieg er sam m t dem

sch w erte, U nd das ross m it seinem sattel, A u s d er w eich e der K unnotar, D as kind aus d er seite der

m utter . . • D as andere exem plar finden w ir in L ö n n ro ts Sam m lungen (S n. 42), m it der Überschrift V äin äm ö isen s y n d im e s tä nebst der bem erk u n g 'a u s K arelien vom pastor B lom qvist aufgezeich- n eť. E s ist a u f einen losen halben bogen zu sam m en m it ei­

nem an d eren liede geschrieben, w elches m it der aufschrift N ai­

m ise n tö itä ’h eiratsab en teu er’ nachfolgt. Die au fzeich n u n g ist d erart m it korrek tu ren durchsetzt, d ass eine p hotographische W iedergabe des originales zu r richtigen au ffassu n g nötig ist.

Die Ü bersetzung lautet:

E in e ju n g fra u w ard geb oren In P o h jo la, im kalten dorfe, A u f die keinen ein d ru ck m achen B räu tig am e, g u te m anner.

D a bekam sie lu st zum m anne, 5

S tie g h ern ieder a u f die w elle, A u f den o ffn e n m eeresrü cken.

M eeres alter, greis der barke, M achte d iese ju n g fra u sch w an ­

ger,

(19)

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& l f / ǻУ //> < ư čzÆ ^* ^-t.~ .^r7 ^'

(20)
(21)

V o ll sie w u rd e zu r g e n ü g e , 10 U nd das leben e w ig dünkte, U n d sie fin g an d ick zu w er- S ie stiess an die rote pforte,

den. Mit dem zeh des linken fusses, H arten Unterleib sie aushielt, Mit dem nam enlosen (ring-)finger.

U nd den m agen voller schm er- S o entstand der Väinäm öi-

zen , nen, 21

E in e z e it von d reissig som m ern. S e lb st der alte V äinäm öinen S eltsa m la n g die z e it d och G in g die länder zu besch au en ,

w u rd e, 15 U nd die lüfte zu bew undern.

P astor A u g u s t B l o m q v i s t , so h n eines bauern in Hollola (T avastland), w a r ein Zeitgenosse L önnrots, im selben ja h re w ie er, 1802, geboren. E r besuchte die schulen in T av a ste h u s u n d B orgå u n d die Universität zu Åbo. Zum pređiger w u rd e er 1827 ordiniert und w irkte als ad ju n k t in den kirchspielen Nilsiä (S avolax), Hollola, H auho (T avastland), U ukuniem i, Kihtelys- vaara, R ääkkylä (K arelien), bis er 1842 eine kapellanstelle in R uskeala (Karelien) erhielt. D aselbst starb er 1849, gerade in dem ja h re , als L önnrots neue K alevala-ausgabe erschien. D och ist a n keine von den g en a n n te n kirchspielen als den sa n g o rt unseres liedes zu denken. Die a u f dem selben blatte folgende aufzeich- n u n g steh t in engem zu sam m en h an g e m it dem von Z. T o p e ­ l i u s I 18 veröffentlichten V äin äm ö isen k o sio m in en , angeblich a u s K em i in Ö sterbotten, ebenso m it der aufzeichnung R. v o n B e c k e r ’ s au s dem m unde des küsters in R ovaniem i P. G ull­

berg, geboren in U tajärvi am Oulu-fluss (Uleåelf). Die ähnlich- keit dieser drei exem plare ist so gross, dass sie entw eder a u f ein gem einsam es gesanggebiet in Ö sterbotten oder au ch au f eine gem einsam e literarische quelle hinw eist.

Die B lom qvisťsche Variante von der geburt V äinäm öinens m üsste som it auch aus Ö sterbotten stam m en. Diese Schluss­

folgerung w ird noch bekräftigt, w e n n m an die fast w örtliche Ü bereinstim m ung der zeilen 14-19 m it den zeilen 5-7, 9-11 des G a n a n d e r’sch en exem plares erw ägt. W a s d en a n fan g a n b e ­ lan g t, ist noch folgende Variante vom Ursprünge der n eun übel bei

G a n a n d e r (58) und L e n c q v i s t ( P o r t h a n Op. sel. IV 71) zu v e rg le ic h e n .1

1 D ie zeilen 1-8 sind auch in R u ssisch -K arelien angetroffen w o r­

den (E uropaeus K 82 aus A ko n lah ti); dann treten als erzeu g er der w ind, das m eer und die sonne a u f (tu u li — ahava — m e ri — päivä).

(22)

14 Ka a r l e Kr o h n.

S y n d y n eitsy P o h jo lasza, E in e ju n g fra u w ard geb o ren Im pi k y lm ä szä kyläszä, In P o h jo la, im kaiten dorfe,

A u f die keinen ein d ru ck m achen B räu tig am e, g u te manner.

D o ch die nym ph enqual ergreift Jok ei suostu sulhaisihin,

M jelly m iehijn h yvijn . K u n tu lovi im m intuska, P a k k o neitosen panexen.

S y rjin syöstäxen m ereen

sie,

W ie g e zw u n g e n w ird die ju n g ­ frau, S eitlin gs sinkt ins m eer sie n ie­

der, K aisoin aaltoin ajaxen.

M eri-Tursas partalainen T e k i neiden tijneh exi,

S c h rä g sie g le itet in d ie w ellen . M eeresriese m it dem barte M achte diese ju n g fra u sch w an ­

ger, M eren ku oh u illa kovilla,

V ed en van kan va a leh illa ;

A u f den starken m eeresw og en , D es g e w a lť g e n w assers schäu- T e k i p oikoa yh exän —

men.

D a g e b a r sie neun d er söhne — N eben dem allgem ein verbreiteten U rsprünge der n eu n übel ist die- geburt V äinäm öinens eine örtlich beschränkte, z u ­ fällige erscheinung. Die iđentität beider ist unzw eifelhaft. Z w ar hält der hinw eis C a s t r é n ’ s a u f den w i n d als den g em einsam en v ater der n eu n übel und des V äinäm öinen nicht stich, d a d er­

selbe in der neuen K alevala-redaktion von L ö n n ro t dem letzte­

ren übertrag en w o rd en ist. Die Ü bereinstim m ung in der be- zeich n u n g der eitern ist jedoch in W irklichkeit viel g rö sser.

W a s die m utter in B lom qvists exem plar betrifft, ist ihr nam e u n d ihre beschreibung m it der G an a n d e r’sch en Variante vom Ursprünge der n e u n übel völlig identisch. Bloss zu r hälfte übereinstim m end und teilw eise n u r lautähnlich sind die zeilen w elche den vater an g eb en : M e re n u k k o , p a rk k aäij ä und M eri-T u rsas p a r ta la in e n .1 Diese w erd en ab er durch fol~.

1 D as w o rt T u rsa s (R env. lex . auch T u rri, T u rra s, T u rrisa s m it ’g ig a s ’ und ’rie se ’ übersetzt) entspricht, w ie sch on C a s t r é n in sein er m yth o lo gie n ach gew iesen , dem an. th u r s ’rie se ’ . B eson d ers zu bem erken ist isl. ŧh u rs a s k é g g ’b art des th u rs’ =. stron gylium , fu- cus fiłiform is; w ie auch die stro p h e: th u s s v e ld r q v e n n a qvillu

’m alus dæ m on m ulierum m orbos e ffic iť (M agnusen L ex . M yth. ó i o , 603 = E d d a Saem und. III 982, 9 7 5 ). In den finnischen runen ist au f T u rsa s die V orstellu ng vom w alross m u rs u a n g ep asst w ord en (vgl. V ir. 1900, 24-6).

(23)

gende aufzeichnung von G ottlund (n. 381) au s Ju v a in S aw o lax verm ittelt.

Im m an tyttö, ilm an nej'to, T o c h te r der luft, ju n g fra u d er luft,

E ipä suostunt sullhaisin, W illig te n ich t in bräutigam e, M ieltynt m iehiin h yviin. W id erstan d auch gu ten m ännern, SyrjiĮn] syöxi veteen , S eitlin g s stü rzte sie ins w asser, L ap eh elle lainehele. A u f die w eiten , breiten w ogen .

V e d e n u k k o h a llip a rta W a sserg re is m it grauem b arte T u o sta teki tineh exi, M achte dann die ju n g fra u

sch w an ger V eten kourilla kovilla, A u f des w assers starken w irb eln , V eten vah van vam m uhilla. D es g e w a lť g e n w assers sch ä u ­

men (?).

T u o sta ty ty , tuosta täu ty, V o ll sie w u rd e zu r g en ü g e, T u o stap a paxu xi pani — U nd sie fing an d ick z u w e r­

den — T e k i p oikoa y h exen . D a g e b a r sie neun der söhne.

Um G an an d ers exem plar vom Ursprünge des V äinäm öi­

nen zu verstehen, m üssen w ir zu einer k o rrek tu r greifen.

K ave k an n n u r ein w eibliches w esen bedeuten, also ist K ave u k k o ’w eib greis’ unsinnig, w ird aber leicht verständlich, w e n n w ir m it J u l i u s K r o h n an n eh m en , d ass ein e zw ischen e u n d u durch überhören w eggefallen ist: k av e (e)u k k o ’w eib g reisin ’ (vgl. L ö n n r o t , L oitsurunoja 3, 112, 166, 1 8 8 ,2 4 0 ,2 5 4 ). D em ­ nach m uss auch im folgenden halbvers: P o h ja n h e rra , der

’h e rr’ a u f ein fem ininum zu rü ck g efü h rt w erden, w elches dem P o h ja n n e iti od. ak k a im Ursprünge der n eu n übel entspricht (z. b. E u ro p aeu s K 136: P . n .; G. 395: P . a. H iitte n e u k k o ).

W e n n diese korrek tu ren das richtige treffen, so fin­

den w ir in den folgenden zeilen den vater V äin äm ö in en s deutlich a n g e g e b e n : Ik ä in e n ik u T u rilas, Is ä v an h a V äinäm öisen.

N ach der letzteren m uss die zeile I h te v an h a V äin äm ö in en (vgl. bei Blom qvist) w eg en ihrer lautähnlichkeit w eggefallen sein, d en n es k an n sich n u r um V äinäm öinens geburt g e h an ­ delt h ab en ; nach dem W ortlaute die seines vaters a n zu n eh m en , hiesse ein allzugrosses genealogisches interesse bei den volks- sän g e rn vorauszusetzen.

Die erstere zeile h at ihr g egenstück in folgender Variante des U rsprungs der neun übel au s der gegend von K ajaani in Ö sterbotten (Aspelin n. 23, vgl. S jö g ren n. 393).

(24)

Ka a r l e Kr o h n.

N eitonen v e je stä nousi A u s dem w asser kam die ju n g ­ frau,

T u li y k si m ies tu r ila s , 1 T u li tursas paiturainen, T e k i neiten tiineheksi.

T e k i p oikoa yh eksi.

H [i]enohelm a h ettehestä, J ok’ ei suostu sulhasihin, M iely m iehiin hyvihin.

A u s der qu elle fein er zipfel, A u f die keinen ein d ru ck m achen B räu tigam e, g u te manner.

D a erschien ein mann T u rilas, K am ein Walross — ? — M achte diese ju n gfra u sch w an ger.

D a ge b a r sie neun d er söhne.

A uch die Zeitbestim m ung bei der g eb u rt V äinäm öinens:

’dreissig so m m er’ ist dem U rsprünge der n eu n übel entlehnt (z. b. L ö n n ro t S n. 97 au s Ju v a u n d Q 28 au s K iuruvesi in S aw o lax ).

Die letztere parallelzeile hat L ö n n ro t schon im alten K alevala an die betreffende stelle in der g eb u rt V äinäm öinens eingefügt.

Die geburt V äinäm öinens v erd an k t aber n och einem a n ­ d eren zauberliede ihre entstehung. Die b esch w ö ru n g en in den geburtsvvehen enthalten aufforderungen an das kind, w ie z. b.-

’an dem fleischigen tor zu rü tte ln ’ liik u ta lih a n e n p o r tti (Petter­

so n n, 14 au s Ö sterbotten) oder 'm it der linken ferse zu stos- s e n ’ p o tk a s e — v asem ella k a n ta p ä ä llä (Roschier n. 10 au s Fin- nisch-K arelien). A uch w ird für das kind gebeten, d ass ihm ver- stattet w ürde 'dieses land zu schauen, diese luft zu b e w u n d e rn ’ tä tä m a a ta k a tso m a a n , ilm aa ih h aam aan (z. b. S ax b äck n. 375 a u s N ord-Ingerm anland).

D ass G an a n d e r’s exem plar, w elches u n s n u r unvollständig erhalten ist, als ■ b esch w ö ru n g bei der geburtshilfe an g e w a n d t w o rd e n ist, sehen w ir au s dem bruchstücke der fortsetzung

1 D as w ort T u rilas haben B e c k e r in sein er m yth o lo gie (Mui- n aism uisto-yhd. A ik a k . X V 169) und L ö n n r o t in sein er disser- tation D e V äinäm öine m it an. tru ll, tro ll, w elch e s im sch w ed . bald

’rie se ’ b ald ’z w e r g ’ , im isl. nur ’rie se ’ b ed eu tet, zu sam m en gestellt (neu lich w ied e r von W i k l u n d V ir. 19 0 4 , 64).

K an toi koh tu a kovoa, V atan täy ttä vaikiata,

H arten Unterleib sie aushielt, U nd den m agen vo ller sch m er­

zen, K olm ekym m en tä keseä,

S am an verran talviakin.

Eine zeit von d reissig som m ern, U nd d ieselb e anzahl w inter.

(25)

desselben. 'D er krieger sam t dem schw erte u n d das ross mit dem sattel’ sind au s einem liede der K anteletar (III n. 47) en t­

lehnt, in w elchem der drache erklärt, lieber diese verschlingen zu w ollen als die unschuldig verurteilte ju n g f r a u .1

S o w o h l im alten als im neu en K alevala h at L ö n n ro t die S childerung d urch zusätze au s derselben b esch w ö ru n g erw eitert.

A usser den beiden behandelten exem plaren und den Varianten d er zauberlieder, aus w elchen der U rsprung V äinäm öinens von d e n volksängern zu sam m engesetzt ist, stan d L ö n n ro t bei der redaktion des n eu en K alevala n o ch ein lied zu r Verfügung, in w elchem der Ursprung V äinäm öinens m it dem des Ilm arinen u n d des Jo ukam oinen verbunden w ird. E s ist das lied von d e r Iro-jungfrau, w elche sich lange 'heilig, ju n g fräu lich ’ hält (K alevala I v. 113-4), aber vom beerenessen die erw äh n ten drei kinder erhält. Dieses ist eine a u f O st-K arelien (Suojärvi) u n d die an g ren zen d en kirchspiele des O lonetzschen beschränkte Variante von der ju n g frau M aria und der g eburt Jesu (s. K r o h n

K antelettaren tutkim uksia II 54-5). A n die stelle des Jesuskindes treten der alte V äinäm öinen, der schm ied Ilm arinen und der junge Jo ukam oinen infolge der Verbindung dieses liedes mit dem von der schiffahrt, also g an z einfach d urch den kon tak t zw eier lieder. D a auch im letztgenannten liede die drei Kale- valahelden anderen liedern entnom m ene Substitutionen für Jesus, P etru s u n d A ndreas sind ( K r o h n , K alevalan ru n o jen historia 102-12), so m uss diese fassu n g von der geburt V äinäm öinens ebenso w ie die vorige als eine spätbildung angesehen w erden.

F e rn e r w äre das auftreten des V äinäm öinen als so h n des K alev a zu erw äh n en . Die Volkstümlichkeit dieser Vorstellung ist jedoch zw eifelhaft. In der relation des probstes C a j a n u s

1663 (s. G a n a n d e r 29, vollständiger Åbo T id n in g ar 1777, 140-2) w ird von drei sö h n en K alevas d. h. riesen in Ö ster-

1 E s ist eine eigen tü m lich verzerrte Variante d er leg en d e vom h eiligen G e o r g (s. Itä-R ajalta, eine album publikation in K exh olm 18 9 4 : K a a r l e K r o h n , N e ito ja lohikäärm e). D e r acc. Y rjä n ist im finnischen als a c c . von y r k ä ’b räu tigam ’ au fgefasst w orden. D ass er ein ritter ist, erseh en w ir nich t nur aus dem sch w erte und dem gesattelten ross, sondern auch aus einer in M ittel-Ingerm anland erhaltenen z e ile : U ro n u m p ira u to in e h e n 'd en recken in eisenver- sch lu ss’ (z. b. E uropaeu s III 3 n. 30, T örn eroos u. T a llq v ist n. 126).

2

(26)

ı 8 Ka a r l e Kr o h n.

botten berichtet und a u f w eitere traditionen hingew iesen, nach w elchen andere sö h n e K alevas, w ie V äinäm öinen u n d Ilm arinen, in T a v astlan d u n d S av o lax gelebt hätten. Die letzteren an - gab en sind sichtlich nicht a n ort und stelle aufgezeichnet;

jedenfalls ist die Z usam m enstellung mit den ersteren sow ie die au ssch eid u n g eines vaters Calava au s C alavanpojat eine gelehrte kom bination des österbottnischen probstes. Im n eu en K alevala w ird V äinäm öinen zw eim al K alevas so h n g e n a n n t (6: 214 u.

42: 424). A n letzterer stelle ist K alev an p o ik a von L ö nnrot aus J u m a la n p o ik a 'G ottes s o h n ’ im volksliede gebildet und d a n n V äinäm öinen von ihm h in zu g eſü g t w orden. E rstere stelle g rü n d et sich a u f eine zufällige Variante (E u ro p aeu s G n. 663, K alevalan toisinnot II n. 19 au s M ekrijärvi in Ilom ants), in w el­

cher die zeile J o k a a to K alev an p o ja n einem an d eren liede desselben dorfes entnom m en ist (G n. 649 u. 650 J o p a lau lo L em m in k äisen , K a o tti K alev an p .; auch diese Zeilenverbindung ist durch den k o n tak t zw eier lieder entstanden).

Schliesslich einige w orte über die einleitungszeilen zur geburt des V äinäm öinen im K alevala (I v. 105-7).

Y k sin m eillä y ö t tu levat, E in zeln kom m en uns die

A u f g ru n d der letzten zeile könnte m an sich denken, d ass die finnischen sän g er sich die g eburt V äinäm öinens als eine ein­

zelstehende, m erkw ürdige vorgestellt hätten. Diese stelle ist aber einer einleitung zum schm ieden der goldjungfrau en tn o m ­ m en (L önnrot A II 5 n. 33 au s L o n k k a in R u ssisch-K arelien;

g edruckt N i e m i V an h an K alevalan eepilliset ainekset n. 1 5 1).

Y k sin m eillä y ö t tu levat, E in zeln kom m en uns die Y k sin p äivät valkeavat,

Y k sin syn tyi Väinäm öinen.

n äch te, E in zeln däm m ern die tag e, E in zeln entstand auch V äin ä­

m öinen.

n äch te, Y k sin p äivät valk eavat,

Y ö llä m eillä sep p ä synty,

E in zeln däm m ern auch die tag e, In der n ach t entstand der schm ied P äivällä m eni pajaah.

uns, G in g am ta g e zu der schm iede.

S tatt des Schm iedes (nam ens Ilm a rin e n im w eiteren verfolg des liedes) hat L ö n n r o t V ä in äm ö in en gesetzt w egen ähnlicher

(27)

an fan gszeilen einer Variante der w eltschöpfung (L önnrot A II 6 n. 2 au s ư h tu e in R ussisch-K arelien; VKA n, 22).

V a k a v[anha] Väinäm [öinen], Ernster, alter V äinäm öinen, Y ö llä syn ty Väin[äm öinen], N ach ts entstand d er V äinäm öinen, P äivällä on m eni p ajaah . G in g am ta g e zu der schm iede.

D as w o rt y k sin 'allein’ in der dritten zeile der an g efü h r­

ten K alevala-steile h at er g an z einfach au s den beiden v o rau s­

g ehenden zeilen übertragen. In diesen ist ab er das w o rt y k sin au ch nicht g an z klar. Seine erk läru n g erhält es aus folgender Variante desselben zeilenpaares (L önnrot II 5 n. 7, au s d em ­ selben dorf L on k k a; VKA 257).

Y k sin m iulla y ö t tuleepi, E insam kom m en m ir die n ächte, Y k sin p äivät valkiaap i. Einsam däm m ern auch die tag e.

E s klagt hier der alte V äinäm öinen, nachdem ihm die aufgefischte m eeresjungfrau au s den h änden entw ichen ist; um nicht genötigt zu sein e i n s a m die n äch te u n d tage zu v er­

bringen, schm iedet er sich aus gold eine ju n g frau , w elche aber allzu kalt befunden w ird.

Jen e einleitungszeilen k ö n n en also nicht als bew eis für die existenz eines uralten, vorkatholischen m y th u s von der ge­

b u rt V äinäm öinens gelten. Die diesbezüglichen, in Ö sterbotten und O st-K arelien u n ab h än g ig von einander en tstan d en en lie- der sind z w a r ach t volkstüm lich, aber erst in d er n eueren nachkatholischen zeit en tstandene poetische bildungen.

Helsingfors.

Ka a r l e Kr o h n.

(28)

20 E . N . Se t ä l ä.

Über die sprachrichtigkeit.

M it b esonderer b erücksichtigung des finnischen S prachgebrauchs. 1 I.

E ine der gew öhnlichsten fragen, w elche leute au s dem g rossen publikum an den Sprachforscher stellen, lautet: ist die u n d die form , au ssprache- u n d redew eise richtig oder falsch?

D as g rosse publikum erblickt gew öhnlich in dem Sprachforscher eine au to rität au f diesem gebiet, es m eint, er verm öge in jedem falle g e n au zu sagen, w a s in sachen der spräche absolut rich­

tig oder falsch ist. U nd diese auffassung hab en die Sprach­

fo rsch er selbst ihrerseits im g rossen publikum aufrecht erhalten.

E s ist rech t natürlich, d ass die frage n ach der sp rach rich ­ tigkeit in verschiedenen form en im m er von neuem auftritt.

G ehört sie doch zu den fragen, die nicht n u r die Sprachforscher, sondern, u n d z w a r in noch höherem m asse, au ch jed en schrift­

1 D i e s e r a u f s a t z s t im m t in d e r h a u p t s a c h e m it e in e m v o r - t r a g ü b e r e i n , d e n d e r V e r f a s s e r a m 1 8 . n o v e m b e r 1 8 9 3 b e im a n t r i t t s e i n e r p r o f e s s u r d e r f i n n is c h e n s p r ä c h e u n d li t e r a t u r , d a m a ls a u f f in n is c h , g e h a l t e n h a t t e . D a n a c h is t e r in d e r Z e it s c h r if t V a l ­ v o j a 1 8 9 4 u n d a ls s o n d e r a b d r u c k ( O i k e a k i e l i s y y d e s t ä , P o r v o o 1 8 9 4 ) v e r ö f f e n t l i c h t w o r d e n . A l s z u d e r s e l b e n z e i t z u m e r s t e n m a le d ie g r ü n d u n g d e r F i n n i s c h - u g r i s c h e n F o r s c h u n g e n a n g e r e g t w o r d e n , w a r d i e s e r a u f s a t z z u r V e r ö f f e n t li c h u n g in d i e s e r Z e it s c h r if t b e s t i m m t g e w e s e n . I s t n u n a u c h b e r e i t s e in j a h r z e h n t s e i t d e m e r s c h e i n e n d i e s e r z e i l e n v e r s t r i c h e n , e r l a u b e i c h m ir d o c h s i e h i e r m i t d e m f ü r S p r a c h w i s s e n s c h a f t i n t e r e s s i e r t e n p u b li k u m in d e u t s c h e r fa s - s u n g z u u n t e r b r e i t e n , d a ic h g l a u b e , d a s s d i e d a r in v o r g e b r a c h ­ t e n g e s i c h t s p u n k t e im m e r n o c h a u f b e a c h t u n g r e c h n e n k ö n n e n . D e r a u f s a t z w a r f ü r e in p u b li k u m b e s t im m t , d e m k e i n e S p r a c h ­ f o r s c h e r v o m f a c h a n g e h ö r t e n , u n d e r h i e l t a u s d i e s e m g r ü n d e e i n e g e m e i n v e r s t ä n d l i c h e fo r m , d i e i c h , u n t e r Ü b e r g e h u n g n u r e i n i ­ g e r e r k l ä r u n g e n , h i e r b e i b e h a l t e n h a b e . E b e n s o i s t d i e a n z a h l d e r b e i s p i e l e v e r m i n d e r t w o r d e n , d a d i e s e o f t n u r f ü r d ie v o l l s t ä n d i g m it d e m f in n is c h e n v e r t r a u t e n v o n w e s e n t l i c h e m i n t e r e s s e s e i n k ö n ­ n e n . D i e f in n is c h e n b e i s p i e l e h ä t t e n n a t ü r li c h ü b e r h a u p t d u r c h d e u t s c h e e r s e t z t w e r d e n k ö n n e n , d a d u r c h h ä t t e a b e r d e r a u f s a t z s e i n g l e i c h z e i t i g e s s p e z i e l l f i n n i s c h e s i n t e r e s s e , w e l c h e s b e s o n d e r s s e i n e r s c h e i n e n in d i e s e r Z e i t s c h r i f t m o t i v i e r t , v e r l o r e n .

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steller, ja in gew isser hinsicht einen jeden, der die spräche g ebraucht, angehen, S prachrichtigkeitsfragen w erden d ah er auch unablässig in privaten diskussionen sow ohl w ie im u n terrich t und in der zeitschriſtenliteratur behandelt. Auch in u n serer Sprachw issen­

sch aft sind hierhergehörige fragen im m er w ieder aufgew orfen w o rd en ; die w issenschaftliche erforschung der finnischen spräche hat grossenteils auch das besondere ziel vor äug en gehabt die sprachform zu erm itteln, die als die „richtige“ anzu se­

hen w äre.

In den m eisten fällen hat sich jedoch bei u n s w ie auch an d e rw ä rts die diskussion üb er sprachrichtigkeitsfragen a u f ein- zelheiten beschränkt, w ogegen diese dinge verhältnism ässig selten au s allgem eineren gesichtspunkten, au s dem sehfeld allgem einer Prinzipien betrachtet w ord en sind. Die allgem eineren gesichts- punkte blicken jedoch so zu sagen hinter den einzelheiten durch, denn jed er einzelne au ssp ru ch repräsentiert ja in gew isser w eise einen allgem eineren Standpunkt, gew isserm assen näm lich als ein bruchstück, ein teil von einem u m fassenderen g ed a n ­ k engang, m ag derselbe auch in d en m eisten fällen seinem urheber nicht in seinem ganzen um fang konsequent durchdacht vor äug en gew esen sein. Jeder einzelne ausspruch in sach en der sprachrichtigkeit setzt stets einen Standpunkt in den grossen fragen voraus, um die herum sich die einzelnen sprachrichtig­

keitsfragen bew egen, n ä m lic h : w ie ist das Verhältnis der Sprach­

forschung zum S prachgebrauch aufzufassen? sow ie: w elches ist das Verhältnis der Schriftsprache zu den verschiedenen form en der U m gangsprache des volkes und w elches m uss es sein?

Im verlauf der letzten jahrzehnte hat sich die auffassung der Sprachforschung vom leben der spräche bedeutend gew an ­ delt, es ist also natürlich, dass der in die prinzipien der moder­

nen Sprachforschung eingew achsene forscher, w enn er konse­

quent vorgeht, das Verhältnis der Sprachforschung zum Sprach­

gebrauch beträchtlich anders auffasst, als dies früher geschehen ist, und dass er von diesen prinzipien aus die ansichten nicht als richtig anerkennen kann, die sich bei uns der weitesten Verbreitung erfreut haben. Unter diesen umständen habe ich die frage w egen ihrer grossen Wichtigkeit für unseren unterricht und unsere literatur einer betrachtung unterworfen. Z u­

nächst aber möchte ich zw ecks klarstellung gew isser begriffe

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2 2 E . N . Se t ä l ä.

einen blick auf die ansichten werfen, die bei uns in diesen fragen Vertreter gefunden haben.

U nter den Schriften, die sich m it der sprachrichtigkeits- frage vom prinzipiellen Standpunkt beschäftigt haben, nim m t A.

Noreens interessante ab h an d lu n g „Om sp råk rik tig h et“ („Ü ber sprachrichtigkeit“) 1 einen ü b erau s w ichtigen platz ein. D er Verfas­

ser unterscheidet u n ter denen, die ü b er sprachrichtigkeit ihre ansicht g eäu ssert haben, an h ä n g e r zw eier Standpunkte, die er den einen den l i t e r a r g e s c h i c h t l i c h e n , d en an d eren d en n a t u r g e ­ s c h i c h t l i c h e n n e n n t; selbst will der Verfasser seinerseits einen dritten hinzufügen, den er — m it leicht erklärlicher Par­

teilichkeit, w ie er sag t — den r a t i o n e l l e n nennt. Seine Charak­

teristik dieser verschiedenen Standpunkte ist ku rz folgende.

A uf dem literargeschichtlichen Standpunkt w ird als norm der sprachrichtigkeit der S prachgebrauch eines — oft ziem lich w illkürlich g ew ählten — verg an g en en Zeitraum s aufgestellt. So w ird für das beste lateinische das angesehen, w elches im „gol­

denen Zeitalter“ g eb rau ch t w urde, für das beste französische der Sprachgebrauch V oltaire’s und seiner zeit und für das k la s­

sische schw edisch das um 1300 gebrauchte. V ertreter dieser rich tu n g sind in D eutschland Jakob Grimm u n d in S ch w ed en sein schüler Johan Er, R ydqvist, a n d erer zu geschw eigen. V on diesem g esichtspunkt ist z. b. fö ij eslag e ’begleiter’ (altschw . fölghislaghi) besser als die analogiebildung ſö ij e sla g a re ; jä tte n 'd er riese’, pl. jä ttn a r, d r o tte n 'der h errsch er’, pl. d r o ttn a r sind richtigere form en als jä tta r , d r o tta r ; in s tru m e n te r, h ä ra d e r sind falsche pluralform en, hingegen sind richtig in s tr u m e n t 'In stru ­ m en te’, h ä ra d ’g au e’; die nom inative n ä rv a ra ’gegenw art, beisein’, sam v ara ’beisam m en sein ’ sind richtige form en, dag e­

g en sind die form en n ä rv a ro , sam v aro etc., die u rsprünglich dativform en gew esen, als nom inative absolut falsch, „ein nom i- nativ n ä rv a ro u. s. w . h at niem als existiert u n d k ann w eder n ach den alten noch nach den neu en gesetzen der spräche existieren “ (Rydqvist).

1 E rsch ien zu erst in der Zeitschrift N o rd isk tid skrift ( 1 88 7), danach als b eson deres b ilch lein (U psala 1888) so w ie in d er Sammlung S p rid d a stu d ier (Stockh olm 18 95) des Verfassers. In d eu tsch er b e arb eitu n g vo n A . Johannson in den In dogerm an ischen F o rsch u n ­ g en 1 (1 8 9 1), p. 96 — 1 5 7 .

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W as in einer spräche richtig, w as falsch ist, kann man nach diesem Standpunkt nur vom S p r a c h f o r s c h e r , vorzugsw eise vom historischen Sprachforscher erfahren. Die richtige sprach- form wird durch das Studium der Sprachgeschichte gefunden.

D er naturgeschichtliche S tandpunkt findet die norm der sprachrichtigkeit in der g e s p r o c h e n e n spräche. Die gesprochene sp räch e ist ein l e b e n d i g e r O r g a n i s m u s , ein n a t u r p r o d u k t , u n d sie ist u m so besser, je freier sie sich entfalten k ann. F o rt also m it aller sehulm eisterei gegenüber der spräche, zum al sich derartige w illkürliche än d eru n g en nie halten, selbst w e n n sie von kaisern h errü h ren . Ist also eine form entstanden, so ist sie zugleich richtig. Liegen m ehrere form en mit einander im streit, so ist diejenige die beste, die von der m ehrzahl gebraucht w ird. Der beste Sprachgebrauch ist also der, w elcher a m a l l g e m e i n s t e n v e r b r e i t e t ist. U nrichtig sind n u r die for­

m en, die n u r von einem Schriftsteller an g ew an d t w erden, ohne in der gesprochenen spräche vorzukom m en. N ach diesem Stand­

pu n k te sind sow ohl In s tru m e n t als in s tru m e n te r beides richtige form en; die letztere ist jedoch richtiger, w eil sie gew öhnlicher ist. S ach v erstän d ig in dingen der sprachrichtigkeit ist an erster stelle nicht der Sprachforscher, sondern j e d e r b e l i e b i g e aus dem die betreffende spräche redenden volke. W a s sprachrichtig ist, entscheidet die m ajorität der sprachgenossen, und es w ird erm ittelt durch s t a t i s t i s c h e U n t e r s u c h u n g des S prachgebrauchs der geg en w art. A ngedeutet findet m an diesen Standpunkt schon bei G r im m u n d S c h l e i c h e r ; der am talentvollsten oder w en ig ­ sten s am gem einverständlichsten die sprachphilosophische g rund- lage dieses Standpunktes erörtert hat, dürfte M a x M ü l l e r

sein, der denselben jedoch sp äter aufgegeben hat. In S ch w e­

den hab en sich ihm nach N o r e e n die m eisten jü n g e re n Sprach­

forscher angeschlossen.

Noreen fühlt sich von keinem der beiden Standpunkte befriedigt. E r w eist Inkonsequenzen in jedem von ihnen nach, indem er zeigt, dass der literargeschichtliche Standpunkt kon- sequentermassen dahin führen würde, dass die entwicklung der spräche abgebrochen und als norm eine sprachform angesetzt würde, aus der sie selbst einmal hervorgewachsen ist. Zu einer ähnlichen erstarrung der entwicklung würde nach seiner ansicht der naturgeschichtliche Standpunkt führen. D a nur der-

Viittaukset

LIITTYVÄT TIEDOSTOT

Die natürlichste und am nächsten liegende erklärung ist wohl, dass auch diese Wörter einen sowohl in der starken als schw achen stufe ursprünglichen Spiranten,

syrj. — Dem samojedischen ist ebenfalls russ. — Samojedischen Ursprungs ist auch russ.. — Denselben Ursprung hat russ. Das syrjänische wort setzt eine

Allerdings finden sich im ostN noch etwa zehn Wörter, die den übrigen ostjakischen dialekten fremd sind, dieselben sind aber meistens und zwar in einer genau

jh., sowohl während der polowzenherr- schaft als auch nach eroberung der polowzensteppen durch die tata- ren, die alanen, assen (russ. jasy) in Südrussland und

Das alter und der Ursprung des rauchofens lassen sich bei den finnischen Völkern vorläufig nicht genau bestimmen. Als einigermassen bemerkenswerte tatsache

dieselben sich frü h er gehalten haben, h erau sg etreten sind. gebiet rep räsen tieren in dem aufsatz das syrjänische u nd w otjakische. Нѣкоторыя черты

*ľ-lautes wird jedoch durch m ehrere um stände erschw ert: die mouillierung wie auch die nicht-mouillierung kann sekundär sein; der heutige l-laut geht in gewissen

mentlich aus dem syrjänischen ins russische vorausgesetzt hat. Es ist nämlich ein bedauerlicher methodischer fehler des.. Verfassers, dass er nicht die berührungen