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Das Erstglied des deutschen und finnischen Aussagesatzes. Eine kontrastive Untersuchung anhand journalistischer und literarischer Texte

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Jaa "Das Erstglied des deutschen und finnischen Aussagesatzes. Eine kontrastive Untersuchung anhand journalistischer und literarischer Texte"

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Das Erstglied des deutschen und finnischen Aussagesatzes

Eine kontrastive Untersuchung anhand journalistischer und literarischer Texte

U N I V E R S I T Y O F T A M P E R E ACADEMIC DISSERTATION To be presented, with the permission of

the Faculty of Humanities of the University of Tampere, for public discussion in the Paavo Koli Auditorium,

Kanslerinrinne 1, Tampere, on March 23th, 2007, at 12 o’clock.

(2)

Distribution Bookshop TAJU P.O. Box 617

33014 University of Tampere Finland

Cover design by Juha Siro Taitto Sirpa Randell Printed dissertation

Acta Universitatis Tamperensis 1213 ISBN 978-951-44-6872-8 (print) ISSN 1455-1616

Tampereen Yliopistopaino Oy – Juvenes Print Tampere 2007

Tel. +358 3 3551 6055 Fax +358 3 3551 7685 taju@uta.fi

www.uta.fi/taju http://granum.uta.fi

Electronic dissertation

Acta Electronica Universitatis Tamperensis 599 ISBN 978-951-44-6873-5 (pdf )

ISSN 1456-954X http://acta.uta.fi Finland

(3)

D anksagung

Für die Entstehung meiner Doktorarbeit möchte ich mich an dieser Stelle herzlich bei allen bedanken, die mir bei der Arbeit geholfen und mich unterstützt haben.

Meinen besonderen Dank möchte ich meiner Betreuerin, Frau Prof. Dr. Marja- Leena Piitulainen aussprechen. Ohne ihre Entschlossenheit und ihr ständiges Inter- esse am Fortschreiten meiner Untersuchung hätte ich nicht die Kraft gehabt, mich mehrere Jahre lang mit den vorliegenden Themen intensiv auseinander zu setzen.

Durch ihr eigenes Beispiel hat sie mich immer dazu angeregt, gegenüber neuen An- sätzen und Perspektiven offen zu bleiben.

Nicht weniger wertvoll sind mir die Anregungen von Herrn Dr. Werner Roesler gewesen, dem ich meine Liebe für die deutsche Sprache ursprünglich zu verdanken habe. Dr. Roesler hat mir nicht nur bei der sprachlichen Korrektur der Dissertation geholfen, sondern er hat auch wichtige inhaltliche Hinweise gegeben und dadurch bedeutend zur Verbesserung der Untersuchung beigetragen.

Gutachter dieser Dissertation waren Frau Prof. Dr. Marja Järventausta (Universi- tät Köln) und Herr. Prof. Dr. Kari Keinästö (Universität Turku). Ihre wertvollen und sachkundigen Kommentare haben mir viele neue gedankliche Anstöße gegeben und den Fortgang der Arbeit wesentlich unterstützt. Ganz besonders freut mich, dass sie an den behandelten Themen so viel Interesse gefunden haben. Mit Hilfe ihrer Vor- schläge konnte ich die Arbeit entscheidend verbessern.

Auf sprachliche Mängel wurde die letzte Version der Arbeit von Frau Alexandra Matschke überprüft. Für ihre Geduldigkeit und große Sorgfältigkeit trotz der kurzen Zeit, die ihr für diese Aufgabe zur Verfügung stand, will ich ihr ganz herzlich dan- ken. Für die möglichen verbleibenden Fehler bin ich selbstverständlich allein verant- wortlich.

Frau Sirpa Randell ist für die geschickt durchgeführte typographische Gestal- tung der Arbeit verantwortlich. In den Gesprächen mit den Postgraduierten am Ins- titut für Sprach- und Übersetzungswissenschaften an der Universität Tampere – Eija Jokinen, Tiina Sorvali, Marja Kauppila, Eila Minkkinen, Tuija Kinnunen, Maritta Moisio, Lea Luodes und Jouni Rostila – habe ich Anregungen und vor allem Unter- stützung erhalten.

(4)

Kultur an der Universität Tampere für ihre Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft be- danken. Auch viele andere Freunde haben mir bei der Arbeit durch ihr Interesse und Mitgefühl weitergeholfen; dafür stehe ich immer in ihrer Schuld.

Finanziell wurde die Arbeit an der Dissertation durch Stipendien der Universität Tampere unterstützt, was für die Erstellung dieser Arbeit unerlässlich war. Für die Aufnahme der Dissertation in die Acta-Publikationsreihe der Universität Tampere bedanke ich mich bei den Herausgebern.

Am meisten habe ich die Entstehung der Dissertation meiner Familie zu verdan- ken, meinem Mann Teuvo Ruhanen und meinen Kindern Eero und Teija, die sich nur sehr wenig darüber beschwert haben, dass diese Arbeit einen so großen Teil mei- ner Zeit und Aufmerksamkeit in Anspruch genommen hat. Auch meine Freunde und Verwandte haben mir viel Beistand geleistet, vor allem meine Tante Lea und ihr Mann Jukka Koskinen, die mir häufig bei der Kinderbetreuung und bei ande- ren praktischen Angelegenheiten geholfen haben. Meine vor drei Jahren verstorbene Mutter Raija Soro hat immer Vertrauen in mich gesetzt. Das gibt mir heute noch Mut.

(5)

I nhaltsverzeIchnIs

1 Einleitung ...13

1.1 Gegenstand und Aufgliederung der Untersuchung ...13

1.2 Material und Methode ...17

1.2.1 Korpustexte ...18

1.2.2 Zur kontrastiven Methode ...21

1.2.3 Tertia comparationis ...26

2 Theoretische Hintergründe der Untersuchung ...29

2.1 Typologische Merkmale des Deutschen und des Finnischen ...30

2.1.1 Grundwortfolge ...30

2.1.2 Flexion vs. analytische Sprachmittel ...32

2.1.3 Diskurskonfigurationalität ...33

2.1.4 Die Satztypologie von Lyons ...38

2.2 Valenz- und Dependenztheorie ...40

2.3 Konstruktionsgrammatik ...49

2.4 Kasustheorie und semantische Valenz ...56

2.5 Kategorialgrammatik ...63

2.6 Ansätze zur pragmatischen Gliederung des Satzes...72

2.6.1 Theorien der funktionalen Satzperspektive...72

2.6.2 Ebenen der Perspektivierung nach Welke ...73

2.6.3 Ebenen der pragmatischen Satzstruktur nach Molnár ...74

2.7 Pragmatisch und prozedural orientierte Textmodelle ...76

2.8 Fazit ...83

3 Beschreibung der Textsorten Bericht, Reportage und Roman ...85

3.1 Beschreibungs- und Klassifizierungskriterien ...85

3.2 Bericht ...89

3.2.1 Bericht – Nachricht – Meldung ...89

3.2.2 Textfunktion ...90

3.2.3 Rolle des Autors und Regeln der Berichterstattung ...92

3.2.4 Thematische Merkmale ...94

3.2.5 Makrostruktur des Berichts ...95

3.2.6 Kultur- und sprachspezifische Merkmale deutscher und finnischer Berichte ...96

(6)

3.3.1 Textfunktion ...97

3.3.2 Rolle des Autors und Erzählperspektive ...99

3.3.3 Thematische Merkmale ...102

3.3.4 Sprachliche Differenzen ...103

3.4 Roman ...103

3.4.1 Textfunktion ...103

3.4.2 Autor vs. Erzähler ...104

3.4.3 Thematische Merkmale ...105

3.5 Fazit ...107

4 Struktur des Aussagesatzes und Definition des ersten Satzfelds im Deutschen und im Finnischen ...110

4.1 Struktur des deutschen Aussagesatzes und Bestimmung des Vorfelds ...114

4.2 Struktur des finnischen Aussagesatzes und Bestimmung des Erstfelds ...119

4.3 Grundfolge, TOP-Folge und Abfolge mit 1. Argument als Rhema ...130

4.4 Subjektinkorporation, Analepse und Ellipse als Erklärung für die Tilgung des Erstglieds ...131

4.5 Außerhalb des EF/VF: Linkes Außenfeld und Parenthesen ...134

4.5.1 Interaktive Einheiten ...134

4.5.2 Koordinierende Ausdrücke ...135

4.5.3 Thematisierungsausdrücke ...135

4.5.4 Parenthetische Sätze ...136

4.6 Fazit ...136

5 Stellungsglieder im Vorfeld und im Erstfeld ...138

5.1 Ergänzungen ...140

5.1.1 Subjekt ...144

Exkurs: Zur Sonderstellung des Subjekts ...148

5.1.2 Finnische Obliquesubjekte ...151

5.1.3 Direktes Objekt ...153

5.1.4 Deutsche Rektionsergänzungen ...157

5.1.4.1 Dativergänzung ...157

5.1.4.2 Genitivergänzung ...160

5.1.4.3 Präpositivergänzung ...161

5.1.5 Finnische Rektionsergänzungen ...162

5.1.6 Lokativergänzungen ...163

5.1.7 Deutsche Verbativergänzung ...165

5.1.8 Prädikative ...166

(7)

Exkurs: Zur semantischen Leistung von satzeinleitenden

Lokalangaben ...176

5.3 Angabenverbindungen im VF/EF ...179

5.4 Es als Platzhalter, Korrelat oder Verbteil ...181

5.5 Teile von nominalen Satzgliedern...182

5.5.1 Aufspaltung der NP mit Präpositiv- bzw. Lokalkasusergänzung ...183

5.5.2 Aufspaltung von quantifizierender und qualifizierender NP ...184

5.6 Teile des Verbalkomplexes ...187

5.6.1 Finites Verb im Erstfeld ...188

5.6.2 Verbpräfix im Vorfeld ...189

5.6.3 Infinite Verbformen...190

5.6.4 Vinf in Verbindung mit Ergänzungen und Angaben ...191

5.6.5 Nominale Teile von Infinitivkonstruktionen ...193

5.7 Erstglieder im Korpus ...195

5.8 Fazit ...197

6 Belegung vom VF/EF in deutschen und finnischen Satzmustern ...201

6.1 Klassifizierung der Grundsatzmuster ...201

6.2 Transitiv- und Intransitivsatz ... 205

6.2.1 Allgemeine Merkmale ... 205

6.2.2 Anbindungsfolge der Argumente und semantische Rollen im T- und I-Satz ...210

6.2.3 Semantische Gruppen von T- und I-Verben ...213

6.2.4 Transitiv, intransitiv oder pseudotransitiv? ...216

6.2.5 Infinitivkonstruktion als Objekt bzw. als Adverbialergänzung ...218

6.2.6 Verbketten mit Modalverb ... 220

6.2.7 T- und I- Sätze im Korpus ...223

6.2.8 Erstglieder in T- und I-Sätzen des Korpus ...223

6.3 Prädikativsatz ...225

6.3.1 Allgemeine Merkmale ...225

6.3.2 Abtrennung des Subjekts und des Prädikativs im Äquativsatz ...229

6.3.3 P-Sätze im Korpus ...232

6.3.4 Erstglieder in P-Sätzen des Korpus ... 234

(8)

6.4.1 Prototypischer Existentialsatz ...236

6.4.2 Manifestierungssatz ... 246

6.4.3 Quantorsatz ... 248

6.4.4 E-Sätze im Korpus ...251

6.4.5 Erstglieder in E-Sätzen des Korpus ...252

6.5 Finnische Satzmuster ohne Nominativ- bzw. Partitivsubjekt ...253

6.5.1 Satzmuster mit Obliquesubjekt ... 254

6.5.1.1 Habitivsatz ... 254

6.5.1.2 Ergebnissatz ...256

6.5.2 Zustandssatz ...257

6.5.3 Gemütskausativsatz ...258

6.6 Subjektlose Satzmuster im Deutschen ... 260

6.7 Weitere Konstruktionen ...261

6.7.1 Deutsche Passivsätze ...262

6.7.2 Finnische Passiv- und Nullpersonsätze ...263

6.7.3 Finnischer Nezessivsatz ... 266

6.8 Distribution der Satzmuster in den Teilkorpora ... 268

6.9 Fazit ...269

7 Pragmatische Funktionen des Erstglieds im Satz und im Text ...275

7.1 Erstglied als Topik ...277

7.1.1 Ebenen der kommunikativen Satzstruktur ...277

7.1.2 Pragmatische Gliederung des Aussagesatzes im Deutschen und im Finnischen ...287

7.1.3 Topikwertigkeit der Angaben ... 288

7.1.4 Zur Wahl des Topiks in Textsätzen ...293

7.2 Funktionen des Erstglieds im Rahmen der Textverflechtung ...295

7.2.1 Textorganisierende Prozeduren ...295

7.2.2 Beibehaltung der thematischen Orientierung: Anapher ...299

7.2.3 Neufokussierung: Deixis ... 305

7.2.4 Fortsetzung und Entwicklung des Themas: Possessivum und possessives Determinativ ...318

7.2.5 Einführung, Fortsetzung und Entwicklung des Themas: Symbolfeldmittel ...320

7.3 Alte und neue Elemente im VF/EF ...327

7.4 Hierarchie textorganisierender Elemente und Arten der Themenentfaltung ...330

7. 5 Zur Topikwahl von text- und absatzeinleitenden Sätzen ...337

7.6 Behandlung des Reisethemas in Bericht, Reportage und Roman ...338

7.7 Fazit ... 340

(9)

8.1 Zur Auswahl und Funktionsbeschreibung des Erstglieds

im dt./finn. Aussagesatz ... 343 8.2 Korpusanalyse: Intersprachliche und -kulturelle Unterschiede

und Gemeinsamkeiten ... 348 8.3 Korpusanalyse: Textsortenbezogene Unterschiede und

Gemeinsamkeiten ...352 Literaturverzeichnis ...355 Tiivistelmä ...375

(10)

Abbildung 1. Dependenz vs. Konstituenz. ...148 Abbildung 2. Stellung des Subjekts in Dependenzmodellen von

Engel und Eroms (2004). ...149 Abbildung 3. Abhängigkeitsstruktur eines Auxiliar- (1) und

eines Modalverbkomplexes (2). ...221

Tabellen

Tabelle 1. Textfunktion, Rolle des Autors und Darstellung der

Perspektive in Berichten, Reportagen und Romantexten ...108 Tabelle 2. Topologische Struktur des dt. Transitiv- und Existentialsatzes ...118 Tabelle 3. Topologische Struktur des finn. Transitiv-, Prädikativ-

und Existentialsatzes ...122 Tabelle 4. Feldstruktur des finnischen Aussagesatzes bei der Grundfolge ...125 Tabelle 5. Feldstruktur des finnischen Aussagesatzes bei der TOP-Folge ...125 Tabelle 6. Feldstruktur des finnischen Aussagesatzes im Muster

mit 1. Argument als Rhema ...126 Tabelle 7. Aussagehauptsätze des Korpus mit Grundfolge, TOP-Folge

und 1. Argument als Rhema ...130 Tabelle 8. Einteilung der dt. und finn. Ergänzungen bei der Korpusanalyse ...144 Tabelle 9. Einteilung der Adverbialangaben nach Hakulinen et al. (2004)

und Engel (1994) ...170 Tabelle 10. Angaben als Erstglied in den dt. Analysetexten ...172 Tabelle 11. Angaben als Erstglied in den finn. Analysetexten...172 Tabelle 12. Die wichtigsten Veränderungen bei der Erstgliedwahl

im Übersetzungskorpus ...174 Tabelle 13. Aussagesatz-Erstglieder in den dt. Teilkorpora ...196 Tabelle 14. Aussagesatz-Erstglieder in den finn. Teilkorpora ...196 Tabelle 15. Prozentueller Anteil aller T- und I-Sätze in den dt. und

finn. Analysetexten ...223 Tabelle 16. VF/EF-Belegung von T- und I-Sätzen in den Analysetexten ... 224 Tabelle 17. Anteil der P-Sätze (mit Nom/Obl.Subjekt) in den Analysetexten ...232 Tabelle 18. VF/EF-Belegung von P-Sätzen in den Analysetexten ...235 Tabelle 19. E-Sätze in den dt. Analysetexten ...251

(11)

Tabelle 21. VF/EF-Belegung von E-Sätzen in den Analysetexten ...253

Tabelle 22. Dt. Grundsatzmuster und Passivsätze im Korpus ... 268

Tabelle 23. Finn. Grundsatzmuster sowie Passiv- und Nullpersonsätze im Korpus ... 268

Tabelle 24. Sprachliche Prozeduren und Sprachfelder (nach Ehlich 1994 und Graefen 1997) ...295

Tabelle 25. Textorganisierende Mittel im VF der dt. Analysesätze ...298

Tabelle 26. Textorganisierende Mittel im EF der finn. Analysesätze ...298

Tabelle 27. Anzahl der Anaphern im VF und am Mittelfeldanfang im dt. Korpus ... 300

Tabelle 28. Anzahl der Anaphern im EF und in der Zweitstellung bzw. am Anfang des Verbfelds im finn. Korpus ... 300

Tabelle 29. Deiktische Verweisräume (nach Graefen 1997) ... 306

Tabelle 30. Deiktische Prozeduren im dt. Korpus ...310

Tabelle 31. Deiktische Prozeduren im finn. Korpus ...310

Tabelle 32. Deiktische Elemente im VF und am Mittelfeldanfang in den dt. Analysesätzen ...312

Tabelle 33. Deiktische Elemente im EF und in der Zweitstellung bzw. am Anfang des Verbfelds in den finn. Analysesätzen ...313

Tabelle 34. Possessives Determinativ/Genitivattribut (+NP) im VF/EF in den dt. und finn. Analysetexten ...319

Tabelle 35. Symbolische Prozeduren in den dt. Analysetexten ...326

Tabelle 36. Symbolische Prozeduren in den finn. Analysetexten ...326

Tabelle 37. Alte und neue Erstglieder in den Zeitungsberichten des Korpus ....329

Tabelle 38. Alte und neue Erstglieder in den Reportagen des Korpus ...329

Tabelle 39. Alte und neue Erstglieder in den Romantexten des Korpus ...329

(12)
(13)

1 e InleItung

1.1 Gegenstand und Aufgliederung der Untersuchung

Sprachliche Kommunikation verlangt, wie jegliches Handeln, von den Kommuni- zierenden ein ständiges Treffen von Entscheidungen. Eine sprachliche Äußerung entsteht als Ergebnis eines Prozesses, der mehrere Phasen umfasst. Auf jeder Ebene hat der Sprachproduzent bewusst oder unbewusst zwischen einer Reihe von Alterna- tiven auszuwählen. Aufgrund der Erfahrungen, Wahrnehmungen und Intentionen des Individuums findet schon auf der vorsprachlichen Ebene eine Selektion statt, die letztlich den propositionalen Gehalt und die Struktur einer Sprechhandlung mitbe- stimmt (vgl. von Stutterheim/Klein 2002). Daraus resultiert zum Beispiel, dass zwei Leute über ein und dasselbe Ereignis nicht gleichermaßen berichten, sondern jeweils andere Aspekte hervorheben oder unberücksichtigt lassen. Die Ausformulierung des Gesagten bzw. des Geschriebenen ist außerdem u. a. von der Rolle des Spre- chers/Schreibers in der Kommunikationssituation abhängig: Wenn jemand z. B. als Journalist über ein Ereignis berichtet, wird seine Ausdrucksfreiheit durch allgemeine pressespezifische Prinzipien eingegrenzt, wobei die Objektivität der Berichterstat- tung, der Nachrichtenwert des Ereignisses sowie die charakteristische Art der The- menbehandlung als zentrale Voraussetzungen für die Wahl der Propositionen und Strukturen gelten. (Vgl. Weischenberg 1990, 1994; Burger 1984.)

Eine in mancher Hinsicht zentrale Rolle bei der Gestaltung eines Satzes spielt die Wortstellung, insbesondere die Wahl des Erstglieds. Im Deutschen und im Fin- nischen wird durch das einleitende Satzelement in der Regel u. a. der Modus des Satzes indiziert, indem Fragesätze zumeist entweder mit einem Verb in Imperativ- form oder mit einem Fragewort, Aufforderungen mit einem Verb und Aussagen ihrerseits hautpsächlich mit einem referentiellen Element einsetzen. Der Gegenstand dieser Arbeit ist das Erstglied des Aussagesatzes. Es handelt sich (in erster Linie) um eine referentielle Einheit, der in der Kommunikation verschiedene Funktionen zuzuschreiben sind.

Nach weit verbreitetem Gebrauch (vgl. dazu Engel 1988) wird in dieser Arbeit mit dem Begriff Wortstellung auf die Abfolge derjenigen Elemente verwiesen, die im Satz verschiebbar sind. Diese Elemente werden in Anlehnung an Zifonun et al.

(14)

(1997) als Stellungsglieder bezeichnet.1 Das jeweils erste Stellungsglied im Satz soll hier Erstglied genannt werden; in gleicher Bedeutung werden gelegentlich auch die Bezeichnungen „erstes Satzglied“ und „satzeröffnende Einheit“ benutzt. In den meisten Fällen handelt es sich sowohl im Deutschen als auch im Finnischen um ein einzelnes Satzglied, aber unter bestimmten Umständen kann als Erstglied ein Satz- gliedteil oder aber eine Verbindung von mehreren Stellungsgliedern auftreten.

Nach der hier vertretenen Auffassung bringt der Sprachbenutzer durch die Wahl des Erstglieds im Aussagesatz die Perspektive zum Ausdruck, von der aus er das Gesagte darstellen will. Die Darstellungsperspektive hat vor allem damit zu tun, wel- cher Gegenstand oder Sachverhalt den thematischen Ausgangspunkt des Satzes bil- den soll. Sprachliche Perspektiviertheit entsteht jedoch nicht allein als Resultat der Entscheidungen des Sprechers bzw. des Schreibers, sondern sie ist außerdem als eine inhärente Eigenschaft von sprachlichen Konstruktionen zu sehen. Unter inhärenter Perspektivierung wird in dieser Untersuchung – in Anlehnung an Welke (1992; 2002, 92) – die logisch-pragmatische Reihenfolge der Verbargumente verstanden, d. h. die Auszeichnung der Konstituenten als 1., 2. oder 3. Argument des Verbs.2 Davon wird die sekundäre Perspektivierung des Satzes unterschieden, d. h. die pragmatische bzw. thematische Organisation des Gesagten. Diese von Welke als universal gekenn- zeichnete Einteilung zwischen inhärenter/primärer und sekundärer Perspektivie- rung entspricht im Prinzip der bereits von H. Weil im Jahre 1844 vorgeschlagenen Trennung der grammatischen und der inhaltlichen Satzstruktur.

Die vorliegende Abhandlung befasst sich mit der Frage, wie der Aussagesatz in deutschen und finnischen geschriebenen Texten eingeleitet wird und durch welche sprachlichen und außersprachlichen Faktoren die Wahl des ersten Satzglieds ge- steuert wird. In der Untersuchung wird auch danach gefragt, in welcher Relation die Ebenen der primären und der sekundären Perspektivierung zueinander stehen.

Zu diesem Zweck werden die grundlegenden Verb-Argument-Muster, d. h. die Satz- muster im Deutschen und im Finnischen kontrastiv dargestellt, wobei sowohl ihre Grundfolge – mit 1. Argument als Erstglied – als auch die Möglichkeiten, von der Grundfolge abzuweichen, diskutiert werden sollen. Es handelt sich dem Titel der Arbeit gemäß um eine bilaterale kontrastive Untersuchung anhand journalistischer und literarischer Texte, die als Methode sowohl die Paralleltextanalyse als auch den Übersetzungsvergleich in Anspruch nimmt.

Einen zentralen Ausgangspunkt für die vorliegende Untersuchung bildet die Annahme, dass die primäre kommunikative Leistung des Erstglieds darin besteht, das auszudrücken, worüber der Sprachproduzent im Satz etwas aussagen will. Das Erstglied bildet somit den inhaltlichen Bezugspunkt, der die Interpretation des rest- lichen Satzes determiniert. In Anlehnung an u. a. Valeria Molnár (1993) wird der

1 Engel (1988) spricht von „Folgeelementen“.

2 Wie bei Welke (2002), wird hier die Markierung „1. Argument“ statt der Kennzeichnung „erstes Argument“ benutzt. Entsprechendes betrifft das 2. und das 3. Argument.

(15)

Gegenstand der Satzaussage als Topik bezeichnet. Darunter wird hier eine überein- zelsprachige pragmatische Kategorie verstanden.

Der u. a. von Welke (1993, 2002) in entsprechender Bedeutung gebrauchte Ter- minus Thema wird in herkömmlichen Darstellungen überwiegend nicht positionell, sondern im Anschluss an das Kriterium der Bekanntheit definiert. In dieser Arbeit wird mit Thema stattdessen – in Anlehnung an Zifonun et al. (1997) – eine Einheit der Textebene gemeint: Als Themen gelten sämtliche kommunikativ konstituierten Gegenstände eines Textes (s. 2.6; 7.1). Eine eindeutigere Bezeichnung wäre deshalb

„Textthema“.

Als Realisierung eines (Text-)Themas kann auch das Topik angesehen werden, d. h. der kommunikativ konstruierte Gegenstand des Satzes. Das Topik bildet somit zugleich einen Gegenstand auf der Satz- und auf der Textebene. Im Unterschied zu Zifonun et al. (1997) und unter Bezugnahme auf Lötscher (1987, 233–251) wird in dieser Arbeit davon ausgegangen, dass Topiks sogar in dem Fall als Textthemen an- zusehen sind, wenn sie nicht als Realisierungen von vorgegebenen Themen versteh- bar sind, wenn sie also neue Aspekte im Text darstellen. Allerdings ist die „Neuheit“

eines Gegenstands an sich ein fragwürdiger Begriff, wenn man – u. a. Lötscher (1987, 249) folgend – annimmt, dass die neuen Topiks in einem Text zu einem bestimmten Themenbereich bereits als mögliche Gegenstände in einem „Themenpool“ vorhan- den sind. Die Beziehung einer nicht direkt vorerwähnten Satzeinheit zum vorange- henden Text ist für den Leser häufig indirekt erkennbar, aber der Grad der Erkenn- barkeit bzw. „Bekanntheit“ lässt sich nicht allgemeingültig festlegen; dies ist immer von verschiedenen Faktoren, vor allem vom Vorwissen des jeweiligen Rezipienten abhängig.

Die Bestimmung des funktionalen Status des Erstglieds stellt eine besonders rege disputierte Frage innerhalb der funktional orientierten Sprachwissenschaft dar, wobei die zentrale Frage lautet: Soll man als Gegenstand der Mitteilung das Erst- glied oder aber das Subjekt betrachten? In dieser Darstellung wird die erstgenannte Annahme aus Gründen vertreten, die im Laufe der Untersuchung näher erläutert werden. Dass jedoch relativ häufig das Subjekt als Gegenstand der Mitteilung ange- sehen wird, ist in Anlehnung an Welke (1993, 2002) dadurch zu erklären, dass man nicht zwischen den zwei Ebenen der Perspektivierung unterscheidet: Auf der Ebene der inhärenten Perspektivierung, d. h. in der logisch-pragmatischen Reihenfolge der Verbargumente, bildet das Subjekt gewissermaßen das Thema der Aussage. Auf der sekundären Ebene der Perspektivierung kann aber aus thematischen Gründen von der logisch-pragmatischen Reihenfolge abgewichen werden.

Ein Ziel dieser Arbeit besteht darin, die sprachlich gegebenen Möglichkeiten und Eingrenzungen der Erstgliedwahl im Deutschen und im Finnischen kontrastiv dar- zustellen, um festlegen zu können, welche Unterschiede in der Topikstruktur der Analysetexte sprachlich bedingt und welche anders motiviert sind. Aufgrund der Tatsache, dass das Deutsche und das Finnische sich voneinander sowohl in typolo-

(16)

gischer als auch in genealogischer Hinsicht unterscheiden, ist eine Menge von for- mal-grammatischen Differenzen zu erwarten. Ein wesentlicher Unterschied betrifft die Grundstruktur des Aussagesatzes. Das Deutsche ist eine V2-Sprache, in der das Erstglied im Aussagesatz von den restlichen Satzgliedern durch die Zweitstellung des finiten Verbs abgetrennt wird. Seit Drach (1937) wird der vorfinite Satzbereich als Vorfeld (VF) bezeichnet. Im Finnischen sind die grammatischen Eingrenzungen der Wortfolge geringer, so dass das Verb prinzipiell in jeder Satzposition auftreten kann. Diese Freiheit ist jedoch lediglich von grammatischer Art, denn die finnische Wortfolge wird relativ strikt von diskursiv-thematischen Faktoren geregelt. Dasselbe betrifft aber auch die Abfolge der nominalen Satzglieder im deutschen Aussagesatz.

Bei der neutralen, kontextlos anwendbaren Grundfolge des Aussagesatzes steht auch im Finnischen das Verb (in den meisten Satzmustern) in der Zweitstellung, während z. B. die Topikalisierung einer freien Angabe in der Regel zur Folge hat, dass das Verb in die Drittstellung verschoben wird. Aus diesem Grund kann die Stellung des Erstglieds im Finnischen nicht als „Vorfeld“ (in der Bedeutung „vorfiniter Bereich“) bezeichnet werden; stattdessen wird diese Stellung hier Erstfeld (EF) genannt.

Sowohl im Deutschen als auch im Finnischen herrscht eine relativ große Freiheit bezüglich der grammatischen Belegungsmöglichkeiten der Erstposition. Besonders starke Linkstendenz weist in beiden Sprachen das Subjekt auf, an zweiter Stelle sind verschiedene Umstandsangaben zu nennen. Die wichtigsten Satzmuster werden mit dem Subjekt eingeleitet; in diesen Mustern dient das Subjekt als Ausdruck des 1. Ar- guments des Verbs. Daneben gibt es in beiden Sprachen eine Reihe von Satzmustern, die eine andere Konstituente als 1. Argument und als unmarkiertes Erstglied auf- weisen.

Wie oben festgestellt wurde, wird die Wahl der Ausdrucksmittel außer von sprachstrukturellen und thematischen Faktoren auch dadurch mitbestimmt, welche Rolle der Sprecher/Autor in der jeweiligen Kommunikationssituation spielt. Wichtig ist auch das so genannte Hörer-/Lesermodell, d. h. die Annahmen des Sprachprodu- zenten bezüglich des Vorwissens und der Erwartungen der Adressaten. Bei der Text- produktion ist die Ausdrucksweise außerdem von der Textfunktion abhängig. Die konkrete Ausformulierung des Gesagten wird jedoch letztlich durch die Intentionen und stilistischen Präferenzen des Sprachproduzenten bestimmt, denn auch im Fall von stark konventionalisierten Textsorten stehen dem Autor normalerweise mehrere alternative Ausdrucksmittel zur Verfügung.

Die Auswirkung vor allem der sprachlichen und textsortenbezogenen Faktoren auf die Entscheidungen des Sprachproduzenten werden in der folgenden Darstel- lung anhand deutscher und finnischer Paralleltexte analysiert, die drei verschiedene Textsorten – Zeitungsberichte, Zeitschriftenreportagen und Romantexte – repräsen- tieren. Im Einzelnen werden in dieser Arbeit die folgenden Aspekte behandelt:

• In Abschnitt 1.2 werden das Textmaterial und die Methode der Untersuchung dargestellt.

(17)

• Theoretische Hintergründe der Arbeit werden in Kapitel 2 erläutert.

• In Kapitel 3 werden die Korpustextsorten kontrastiv beschrieben.

• Die Struktur des deutschen und des finnischen Aussagesatzes wird in Kapitel 4 anhand eines Feldmodells veranschaulicht; in diesem Zusammenhang wird das deutsche Vorfeld (VF) und das finnische Erstfeld (EF) näher definiert.

• In Kapitel 5 werden die im VF/EF möglichen Satzglieder und ihre Frequenz in den Teilkorpora vorgestellt.

• Der Gegenstand von Kapitel 6 besteht darin, die deutschen und finnischen Grundsatzmuster und ihre Stellungsvarianten darzustellen.

• Die pragmatischen Funktionen des Erstglieds, sowohl im Satz als auch im Text, bilden das Thema von Kapitel 7.

• Die Ergebnisse der Untersuchung werden in Kapitel 8 zusammengefasst.

Weil die Erstglied-Problematik in der Untersuchung von unterschiedlichen Gesichts- punkten her behandelt wird, lassen sich Wiederholungen leider nicht vermeiden. Als Vorteil dieser Darstellungsweise ist allerdings der Sachverhalt zu betrachten, dass die einzelnen Kapitel relativ selbständig sind und auch unabhängig voneinander gelesen werden können.

1.2 Material und Methode

In dieser Untersuchung werden theoretische Überlegungen mit empirischen Beob- achtungen kombiniert. Die Auswahl und Definition der Kategorien, die der quanti- tativen Textanalyse zugrunde liegen, basiert hauptsächlich auf einschlägigen theore- tischen Darstellungen und Forschungsergebnissen. Andererseits wurden bestimmte Kategorien im Laufe der Analyse – durch Interpretation der zwischenzeitlich ge- wonnenen Ergebnisse – weiter spezifiziert. Dies betrifft vor allem die Definition und Klassifizierung der deutschen Grundsatzmuster, die nur teilweise mit vorhandenen Satztypologien begründet werden konnte.

In den einzelnen Abschnitten der Arbeit werden theoretische Annahmen und Resultate der empirischen Analyse nebeneinander behandelt. Nur in den Kapiteln 2 und 3 werden hauptsächlich theoretische und sachbezogene Ansätze diskutiert.

In Kapitel 2 werden die theoretischen Hintergründe der Untersuchung dargestellt, während es in 3 darum geht, die allgemeinen Merkmale der Korpustextsorten zu beschreiben.

Als primäres Textmaterial werden in der vorliegenden empirischen Analyse deut- sche und finnische Texte aus drei unterschiedlichen Textsorten – Bericht, Reportage und Roman – hinsichtlich der Belegung der Erstposition analysiert. Die Texte des primären Korpus stammen nicht aus einem fertigen Korpus, sondern wurden eigens

(18)

für die Zwecke dieser Arbeit ausgewählt. Die Zusammenstellung des Korpus sowie die Kriterien der Textauswahl werden in 1.2.1 erläutert.

In der empirischen Untersuchung werden zusätzlich Texte aus dem elektro- nischen Finde-Korpus als Analysematerial gebraucht. Es handelt sich um ein bila- terales synoptisiertes finnisch-deutsch-finnisches Textkorpus, das literarische und Sachtexte umfasst.

Eine Liste der Korpustexte findet sich im Literaturverzeichnis. Für detaillierte bibliographische Angaben des Finde-Korpus stehen folgende Seiten am Internet zur Verfügung: http://www.phil2.uni-wuerzburg.de/institutelehrstuehle/institut_fuer_

deutsche_philologie/lehrstuehle/lehrstuhl_fuer_deutsche_sprachwissenschaft/for- schung/finde-korpus/.

In 1.2.2 werden die im Rahmen der empirischen Analyse verwendeten kontras- tiven Methoden – Paralleltextanalyse und Übersetzungsvergleich – kurz dargestellt.

Die primären und sekundären Vergleichsobjekte (Tertia comparationis) der vorlie- genden Untersuchung werden in 1.2.3 definiert.

1.2.1 Korpustexte

Das primäre Analysekorpus umfasst journalistische und literarische Texte und Textabschnitte mit insgesamt 2000 deutschen und 2000 finnischen Äußerungen.

In Anlehnung an Engel (1988, 179f.) wird hier eine Abgrenzung gemacht zwischen Äußerungen als kommunikative Einheiten, die in erster Linie nach ihrem Ver- ständigungszweck zu bewerten sind, und Sätzen als grammatischen Einheiten, die nach ihrer Korrektheit zu beurteilen sind. Als Äußerungen gelten beispielsweise die folgenden, nicht satzförmigen Ausdrücke: Guten Morgen! Her mit den Karten!

Aus und vorbei. Nach Engel (1988, 179) sind Äußerungen als Ausdrucksformen von sprachlichen Handlungen – Sprechakten – definierbar, während Sätze gewisserma- ßen Idealformen von Äußerungen darstellen. Als Segmentierungseinheiten werden für die Zwecke der Analyse alle selbständigen Äußerungen durchnummeriert; in den angeführten Beispielen wird somit die Nummer der jeweiligen Äußerung statt der Seitenzahl angegeben. Punkt, Ausrufezeichen und Fragezeichen gelten als Äu- ßerungsgrenze, wenn sie nicht etwa im Rahmen einer Nebenbemerkung innerhalb einer Äußerung vorkommen. Bei parataktischen Satzverbindungen werden als selb- ständige Äußerungen diejenigen angesehen, die sowohl ein neues Subjekt als auch ein neues Prädikat vorweisen.

In die quantitative Analyse werden lediglich die in den Korpustexten auftretenden vollständigen Aussagesätze einbezogen. Zu diesen sind im deutschen Teilkorpus 1733 und im finnischen Korpus 1880 Sätze zu zählen. Außerhalb der quantitativen Analyse bleiben somit alle Interrogativ-, Imperativ- und Ausrufesätze sowie die el- liptischen Aussagesätze.

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In den Korpustextbeispielen wird das Vorfeld und das Erstfeld des Satzes in den meisten Fällen mit Fettdruck markiert. Fettdruck wird aber auch zur Markierung anderer Satzteile gebraucht, wenn diese an der betreffenden Textstelle das haupt- sächliche Objekt der Aufmerksamkeit darstellen. In Beispielen aus dem Überset- zungskorpus erscheinen jeweils die Zieltextbeispiele kursiviert (z. B. Lenz 95: Seine Tür stand immer offen. Hänen ovensa oli aina avoinna,). Mit Kursiv werden in den einzelsprachigen Beispielen gelegentlich auch einzelne Satzteile markiert. Eigene Übersetzungen werden mit einfachen Anführungszeichen versehen. An manchen Stellen wird auch Unterstreichen zur Hervorhebung von Satzteilen benutzt. Eckige Klammern indizieren Analepse, Ellipse oder – in den meisten Fällen – Tilgung des Subjekts in finnischen Sätzen mit Subjektinkorporierung (zu diesen Begriffen s. Ka- pitel 4).

In den folgenden Abschnitten werden die Teilkorpora des primären Analysekor- pus dargestellt.

1) Berichtkorpus

Das Berichtkorpus besteht aus Berichttextbelegen aus den folgenden deutschen und finnischen überregionalen Zeitungen: Süddeutsche Zeitung (SZ), Frankfurter Allge- meine Zeitung (FAZ), Aamulehti (AL) und Helsingin Sanomat (HS). Im Korpus wird jede Zeitung durch jeweils ca. 260 Belege repräsentiert. Insgesamt umfasst das deut- sche Berichtkorpus 519 Äußerungen, von denen 512 Aussagesätze sind, während im finnischen Teilkorpus 530 Äußerungen und 526 Aussagesätze enthalten sind. Die Textbelege stammen aus der Periode 3.9.2001–26.9.2002. Der kürzeste Bericht um- fasst 16, der längste 49 Äußerungen.

Als Auswahlkriterien bei der Zusammenstellung des Berichttextkorpus wurden die folgenden Faktoren einbezogen:

• Eine Hälfte der deutschen wie auch der finnischen Korpusberichte behandeln innenpolitische, die andere Hälfte außenpolitische Themen.

• Überregionale Zeitungen kaufen einen bedeutenden Anteil des Nachrich- tenmaterials von internationalen Nachrichtenagenturen. Um zu vermeiden, dass die zu analysierenden Berichte Übersetzungen darstellen, bzw. um ab- zusichern, dass die deutschen und finnischen Texte ursprünglich von jeweils deutschen und finnischen Autoren geschrieben worden sind, sind in das Kor- pus nur solche außenpolitischen Berichte aufgenommen worden, zu denen der Name des Autors angegeben ist.3

3 Auf eine E-Mail-Befragung von Tiina Sorvali im Herbst 2002 hat der Sportredakteur Wolfgang Hettfleisch aus der „Frankfurter Rundschau“ folgendermaßen geantwortet: „Autorenzeilen (volle Namensnennung) sollen in aller Regel die Eigenleistung des Autors/der Autorin unterstreichen (diese kann in der Recherche liegen wie in der Text- und Ausdrucksform). Aus Qualitätsgründen

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• Die meisten Berichte sind von verschiedenen Autoren geschrieben worden. Die große Menge der Verfasser soll dazu beitragen, im Rahmen der Korpusanalyse eine möglichst große Vielfalt üblicher sprachlicher und stilistischer Faktoren identifizieren zu können.

2) Reportagekorpus

Das Reportagekorpus umfasst ebenfalls ungefähr 1000 Äußerungen. Die deutschen Reportagen umfassen 510 Äußerungen und 352 vollständige Aussagesätze; in den finnischen Reportagen sind 502 Äußerungen und 473 Aussagesätze belegt. Im Rah- men der Analyse verweist die Markierung „dR“ auf die deutschen und die Markie- rung „fR“ auf die finnischen Reportagetexte des Korpus.

Als Kriterium bei der Wahl der Reportagentexte diente vor allem die Thematik:

Alle Texte repräsentieren Reisereportagen, genauer gesagt Reportagen über Reisen mit einem Motor- oder Fahrrad. Sie stammen aus vier Sportzeitschriften; alle Texte sind von verschiedenen Autoren geschrieben.

3) Romantextkorpus

Sowohl im vorliegenden Romantextkorpus als auch im Übersetzungskorpus – das die deutschen bzw. finnischen Übersetzungen der Texte umfasst, die im finnischen bzw. deutschen Romantextkorpus enthalten sind – gibt es insgesamt etwa 1000 Äu- ßerungen, von denen in der Untersuchung nur die vollständigen Aussagesätze ana- lysiert wurden. In den deutschen Ausgangstexten (AT) sind 421, im finnischen AT- Korpus 451 Aussagesätze belegt. Die deutschen Zieltexte (ZT) umfassen 445 und die finnischen Zieltexte 430 Aussagesätze.

Die ausgewählten Textstücke stellen jeweils den Anfangsteil des Romans dar und zwar die Hundert ersten Äußerungen des jeweiligen Werkes. Die Wahl der Ro- mantexte wurde dadurch eingegrenzt, dass nur Texte einbezogen wurden, zu denen eine Übersetzung in die jeweils andere Analysesprache vorliegt.

sei angestrebt, den Anteil an „eigenen Stücken“ möglichst hoch zu halten.“ Auch nach Ari Pusa aus

„Helsingin Sanomat“ bedeutet die Nennung des Autorennamens, dass es sich um den Text dieses Autors handelt; in der Redaktion könne der Text jedoch korrigiert und auch teilweise umformu- liert werden.

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1.2.2 Zur kontrastiven Methode

Bei der nachfolgenden empirischen Untersuchung handelt es sich um eine bilaterale kontrastive Analyse, die sowohl quantitativ als auch qualitativ ausgerichtet ist. In der Analyse wird die Belegung der ersten Satzposition in deutschen und finnischen jour- nalistischen und literarischen Paralleltexten erfasst (Abschnitt 1.2.1). Das primäre Tertium comparationis der bilateralen Analyse ist das Erstglied des Aussagesatzes als eine formal-grammatische Einheit. Wegen des komplexen Untersuchungsobjekts werden in Abschnitt 1.2.3 darüber hinaus sekundäre Vergleichsobjekte für die kon- trastive Analyse herangezogen.

In der Untersuchung werden außerdem anhand von deutschen und finnischen authentischen Romantexten und ihren Übersetzungen vom Finnischen ins Deutsche und umgekehrt Übersetzungsvergleiche durchgeführt. Somit wird auch eine unilate- rale Verfahrensweise einbezogen. Diese Methode kann (in Anlehnung an Piitulainen 2006) auch als „unecht“ bilateral gekennzeichnet werden, da es sich um eine Kombi- nation von zwei (gleichwertigen) unilateralen Analysen handelt.

Als kontrastive Linguistik bzw. kontrastive Grammatik „in engerem Sinn“ ist nach Tarvainen (1985, 11) eine Beschreibungsmethode zu verstehen, die sich nur mit den Unterschieden zwischen den zu vergleichenden Sprachen befasst, während kontrastive Grammatik „in weiterem Sinn“ sowohl an Unterschieden als auch an Gemeinsamkeiten interessiert ist. Nach Rein (1983, 1) wurde der Terminus „Kon- frontative Linguistik“ von Zabrocki (1970) vorgeschlagen, um einen eindeutigen Ge- genbegriff zu „kontrastiver Linguistik“ (in engerem Sinn) zu schaffen, und zwar um den Aspekt hervorzuheben, dass Verschiedenheiten und Übereinstimmungen den Gegenstand der Beschreibung bilden. Wie Rein jedoch feststellt, trifft die zugrun- de gelegte Auffassung von kontrastiver Linguistik als ‚nur mit den Unterschieden befasst‘ im internationalen Gebrauch nicht zu. So wird auch im Rahmen der vorlie- genden kontrastiven Untersuchung auf allen Beschreibungsebenen Aufmerksamkeit sowohl auf abweichende als auch auf gemeinsame Aspekte gerichtet.

Der Schwerpunkt der kontrastiven Linguistik lag lange Zeit im Vergleich kleinerer sprachlicher Einheiten und grammatischer Strukturen, aber seit den 80er Jahren rü- cken ganze Texte und Diskurse immer stärker in den Mittelpunkt des Interesses; auch kulturkontrastive Untersuchungen sind in letzter Zeit durchgeführt worden. Inner- halb der kontrastiven Textlinguistik sind vor allem Textsorten untersucht worden.

Den Gegenstand der kontrastiven Pragmatik bilden sowohl einzelne Handlungen als auch größere Diskursteile, wie z. B. Anfangssequenzen von Telefongesprächen.

Dabei geht es darum, vergleichbare Kommunikationssituationen in verschiedenen Kultur- und Sprachräumen zu analysieren und die einzelprachlichen Resultate in- tersprachlich und interkulturell zu kontrastieren. Kontrastive Untersuchungen im Bereich der interkulturellen Kommunikation befassen sich hingegen damit, zu be-

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obachten, wie Vertreter verschiedener Kulturen in einer Situation handeln, in der sie einander begegnen. (Tiittula 1997, Kolehmainen 2005, Piitulainen 2006).

Wie schon erläutert, hat die vorliegende Arbeit als Gegenstand, die Formen und Funktionen des Aussagesatz-Erstglieds sowie die Bedingungen der Erstgliedwahl in drei deutschen und finnischen Textsorten zu analysieren. Dabei ist die Untersu- chung nicht primär darauf ausgerichtet, die vorhandenen Textsorten als Gesamtheit zu analysieren, sondern das Textkorpus fungiert als Materialbasis der Erstgliedana- lyse. Ein weiteres Ziel der Arbeit besteht darin, zu ermitteln, ob die zu analysierenden Phänomene (Erstgliedwahl, Satzmusterwahl, textorganisierende Prozeduren) als textsortenbezogene Merkmale angesehen werden können.

Damit Sprachen miteinander verglichen werden können, müssen sie beschrieben werden. Nach Tarvainen (1985, 17) kann das Verhältnis zwischen dem Vergleich und der Beschreibung zweierlei sein:

1) Die Darstellung kann beschreibend und kontrastiv sein; dann wird die zu un- tersuchende Erscheinung zuerst in den beiden (bzw. allen) zu vergleichenden Sprachen einzeln beschrieben, wonach erst der Vergleich durchgeführt wird.

2) Die Darstellung kann beschreibend-kontrastiv sein, in welchem Fall die ver- schiedenen Sprachen nebeneinander beschrieben und zugleich miteinander verglichen werden.

Bezüglich dieser Unterscheidung kann festgestellt werden, dass die hier gewählte Vorgehensweise beschreibend und kontrastiv ist. In Abhängigkeit von der Richtung der Darstellung bieten sich für die kontrastive Linguistik im Wesentlichen zwei Ver- fahren an, auf die bereits verwiesen wurde: das bilaterale (onomasiologische) und das unilaterale (semasiologische) Verfahren (Sternemann 1983, 58; Ebneter 1976, 219; Sorvali 2004, 17):

1) Die bilaterale (bzw. multilaterale) Beschreibung stellt die vergleichbaren Er- scheinungen von zwei oder mehr Sprachen gleichberechtigt konfrontierend dar. Dabei funktioniert als übereinzelsprachliche Bezugsgröße des Vergleichs das Tertium comparationis (t. c.): „Für den Vergleich von (partiell) äquiva- lenten Erscheinungen stellt das im t. c. Formulierte inhaltliche Größen dar, u. a. Zeitverhältnisse, Art und Verlaufsweisen des verbalen Geschehens, kau- sale und temporale Verhältnisse“ (Sternemann 1983, 58). Die Art des Tertium comparationis (z. B. semantisches, funktionales oder kommunikatives t. c.) sowie der Grad der Komplexität, der ihm zukommt, ist von der jeweiligen Zielsetzung abhängig (u. a. Piitulainen 2006, 5). Eine kontrastive Analyse zum Beispiel, die sich mit Sprachverwendung in einer konkreten Kommunikati- onssituation beschäftigt, hat eher mit Merkmalsbündeln zu rechnen, während die Kontrastierung sprachsystembedingter Strukturen ein anders definiertes Tertium comparationis voraussetzt.

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2) Das unilaterale Verfahren ist einseitig zielgerichtet, denn der Vergleich bewegt sich von der Ausgangssprache zur Zielsprache: Es werden diejenigen Mittel beschrieben, die in der Zielsprache zur Wiedergabe der ausgangssprachlichen Bedeutungen vorliegen (Sternemann 1983, 67). Nach Sternemann (1983, 68) besteht der grundsätzliche Unterschied zum bilateralen Verfahren im Fol- genden: Während bei einer bilateralen Beschreibung ein übereinzelsprach- liches Tertium comparationis erforderlich ist, benötigt das unilaterale Verfah- ren keine solche Bezugssgröße, da die Bedeutung(en) der ausgangssprachlichen Erscheinung „selbst die Bezugssgröße darstellt/stellen, m.a.W., mit der/denen die Ermittlung der ZS-Korrelate durchgeführt wird.“ Nach Piitulainen (2006, 5) kann eine kontrastive Arbeit, wie schon oben gesagt, „unecht“ bilateral sein, d. h. eine Kombination von zwei unilateralen Analysen darstellen. Dies ist möglich, wenn die zu analysierende Struktur oder Kategorie in beiden Spra- chen vorhanden ist und von beiden Sprachen ausgehend getrennt beschrieben wird, wobei die zielsprachlichen Äquivalente gesucht werden.

Zur Beschreibung der zu vergleichenden Sprachen können unterschiedliche Gram- matikmodelle verwendet werden. Dabei ist notwendig, einheitliche metasprachliche Bezugsgrößen zum Vergleich der objektsprachlichen Erscheinungen zu gewinnen.

(Vgl. Rein 1983, 89; Itälä 1998, 37) In dieser Arbeit, wie in den meisten kontrasti- ven Darstellungen, ist eine Kombination unterschiedlicher theoretischer Ansätze als Grundlage der Analyse erforderlich. Diese Ansätze werden in Kapitel 2 diskutiert.

Bei einer kontrastiven Untersuchung ist nach Mustajoki (1993, 188ff.) zu unter- scheiden, ob die zu vergleichenden Elemente miteinander strukturelle oder funktio- nale Äquivalenz aufweisen.4 Um strukturelle Äquivalenz handelt es sich in (2a) und um funktionale Äquivalenz in (2b); funktionale Äquivalenz liegt dann vor, wenn die zu vergleichenden Erscheinungen dieselbe Tiefenstruktur repräsentieren:

1. Im zwanzigsten Jahrhundert

2a. Kahdennellakymmenennellä vuosisadalla 2b. 1900-luvulla

Nach Sternemann muss in der kontrastiven Linguistik berücksichtigt werden, dass der Äquivalenzbegriff mit der Spezifik des Untersuchungsgegenstandes überein- stimmt (Sternemann 1990, 343; vgl. auch Sorvali 1997, 97). Piitulainen (2006, 6) verweist darauf, dass die Festlegung des t. c. auch die Feststellung der Äquivalenz steuert, d. h. der aufgrund der Analyse festzustellende Äquivalenztyp steht im Zu- sammenhang mit der Zielsetzung der Analyse und dem der Analyse zugrunde lie-

4 Unter funktionaler Äquivalenz kann auch pragmatische Entsprechung verstanden werden. In den herkömmlichen Darstellungen werden unterschiedliche Äquivalenz-Möglichkeiten aufgelistet;

nach Piitulainen (2006, 6) kann u. a. zwischen formaler, semantischer, stilistischer, textualer und kommunikativer Äquivalenz unterschieden werden. Vgl. auch Wills (1977), Reiß/Vermeer (1984), Nord (1991), Nikula (1998) und Piitulainen (1998).

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genden t. c. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung müssen unterschiedliche Ebenen der Äquivalenz mit einbezogen werden, da für die kontrastive Analyse meh- rere Vergleichsebenen zu bestimmen sind (s. dazu Abschnitt 1.2.3).

Die Frage, auf welchem Material eine kontrastive Untersuchung basieren sollte, wird in der Fachliteratur intensiv diskutiert (vgl. u. a. Tarvainen 1985, 24f., Musta- joki 1993, 192). Meistens wird davon ausgegangen, dass alle Korpora prinzipiell ak- zeptabel sind, die dabei helfen können, äquivalente Erscheinungen in verschiedenen Sprachen zu ermitteln: Originalkorpora und Übersetzungen, Paralleltexte, Beispiele aus Grammatiken und eigene, vom Untersucher konzipierte Sätze können als Ver- gleichsbasis verwendet werden. Im Rahmen der vorliegenden empirischen Untersu- chung werden Paralleltexte und Übersetzungen als Grundlage der Kontrastierung herangezogen. Wie bekannt, weisen beide Verfahren sowohl Vor- und Nachteile auf;

diese werden unten kurz besprochen.

Unter Paralleltextanalyse werden in der herkömmlichen Literatur zwei verschie- dene Verfahrensweisen verstanden. Einerseits wird damit eine Analyse von Texten in Translat-Relation gemeint, andererseits eine Analyse von Texten, die funktional äquivalent sind, aber in keiner Translat-Relation zueinander stehen (Sorvali 2004, 20; vgl. auch Spillner 1981). In dieser Abhandlung wird unter Paralleltextanalyse in Anlehnung an Spillner (1981, 241) eine Analyse von Texten verstanden, die aus textthematischen oder textpragmatischen Gründen vergleichbar sind und in keiner Übersetzungsrelation zueinander stehen. Es wird allgemein davon ausgegangen, dass sich diese Methode besonders gut für kontrastive Textsortenuntersuchungen eignet, weil „die Textsortenkonventionen dadurch „sauber“, d. h. ohne eventuelle negative Interferenz in Verbindung mit dem Übersetzungsprozess, erfassbar sind“ (Piitulai- nen 1993, 142).

Ein zentrales Problem der Paralleltextanalyse liegt darin, dass sich die kommu- nikative und funktionale Äquivalenz der einzelsprachigen Textsorten nicht in jedem Fall eindeutig festlegen lässt (u. a. Pöckl 1999, 21; Sorvali 2004, 26). Handelt es sich um bestimmte wissenschaftliche Textsorten, kann die Äquivalenz relativ einfach festzustellen sein, während die intersprachlichen Differenzen bei weniger konventi- onalisierten Textsorten derart groß sein können, dass keine oder nur eine teilweise funktionale bzw. kommunikative Äquivalenz gegeben ist.

Durch Übersetzungsvergleich, d. h. das Vergleichen von ausgangssprachlichen Texten und ihren Übersetzungen, können übereinstimmende und abweichende Strukturen der Zielsprache bestenfalls relativ effektiv ermittelt werden. Von einer Übersetzung wird normalerweise erwartet, dass sie möglichst „treu“ ist, aber es be- steht natürlich auch die Gefahr, dass der Zieltext auf inhaltlicher Ebene und/oder auf der Ausdrucksseite mehr vom Ausgangstext abweicht, als notwendig wäre. Ein wei- teres Problem besteht darin, dass der Übersetzer durch den Originaltext ausdrucks-

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seitig zu stark beeinflusst werden kann.5 (Siehe u. a. Nord 1991, 25ff.; Nikula 1998, 145f.). Beide Probleme dürften zumindest teilweise dadurch zu beseitigen sein, dass ein ausreichend umfassendes Textmaterial als Analysebasis zusammengestellt wird.

Wegen der genannten Probleme ist der Wert des Übersetzungsvergleichs verständ- licherweise sehr umstritten. Jokinen (2005, 29f.) verweist darauf, dass diese Methode besonders dann geeignet scheint, wenn eine Kategorie der einen Sprache in der an- deren Sprache fehlt oder strukturell äquivalente Entsprechungen in der Zielsprache nicht zu erwarten sind. Für die Kontrastierung zweier typologisch unterschiedlicher Sprachen bereitet der Übersetzungsvergleich m. E. eben aus diesem Grund ein wert- volles Hilfsmittel: In beiden zu vergleichenden Sprachen gibt es reichlich Strukturen, die in der jeweils anderen Sprache fehlen und deren funktionale Äquivalente im An- schluss an Übersetzungen leichter zu ermitteln sind als durch eine Paralleltextana- lyse.

Einen wichtigen Vorteil des Übersetzungsvergleichs sieht Jokinen (2005, 30ff.; im Anschluss an Mauranen 2002) ferner darin, dass sich dadurch Kontraste untersu- chen lassen, die nirgendwo anders so deutlich zu Tage treten. Dies betrifft m. E. zum Beispiel Wortstellungsunterschiede, die in Übersetzungen besonders leicht ins Auge fallen. Aufschlussreich sind insbesondere jene Abweichungen, die nicht sprachlich determiniert zu sein scheinen und die somit auf stilistische Präferenzen des Über- setzers und gegebenenfalls auf kulturell bedingte Stilunterschiede hinweisen. Aller- dings besteht immer die Gefahr, dass ein sprachlich nicht lizensierter Unterschied auf die Inkompetenz des Übersetzers zurückgeht. Solche Fehlschlüsse dürften aber wiederum dadurch zu vermeiden sein, dass nur jene Differenzen als relevant be- trachtet werden, die in Texten von mehreren Übersetzern vorhanden sind. (Vgl. dazu u. a. Tarvainen 1985, 25.)

Bei der Kontrastierung von sprachlichen Gegebenheiten anhand von Textsorten- belegen aus verschiedenen Kulturräumen handelt es sich nicht nur um eine interlin- guale, sondern auch um eine interkulturelle Gegenüberstellung. Weil hierbei mehre- re Textsorten und Texte von verschiedenen Autoren als Gegenstand der Betrachtung fungieren, ist es ferner notwendig, auch die intrasprachliche und intrakulturelle Beschreibungsebene mit einzubeziehen. Die Konsequenz für die praktische Analy- se liegt darin, dass der Forscher in Betracht ziehen muss, dass beim Gebrauch ver- schiedener sprachlicher Mittel in verschiedenen Textsorten nicht nur die im Sprach- system gegebenen Möglichkeiten eine Rolle spielen, sondern darüber hinaus auch textsortenspezifische und kulturelle Bedingungen. In neueren kontrastiven Texts- ortenuntersuchungen sind diese Aspekte schon berücksichtigt worden. Dabei hat es sich u. a. gezeigt, dass in Zeitungsberichten und Rezensionen relativ wenig Konnek-

5 Bis zu einem gewissen Grad ist in einer Übersetzung die Nachahmung der Ausdrucksweise des Originaltextes sogar als erforderlich zu betrachten, wenn eine bestimmte stilistische Wirkung an- gestrebt wird. Wo aber die Grenze zwischen Nachahmung (zu stilistischen Zwecken) und Interfe- renz liegt, muss bei jeder Übersetzung einzeln überlegt werden.

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toren vorkommen, dass finnische wissenschaftliche Texte weniger explizite textorga- nisierende Mittel enthalten als angloamerikanische und dass Konnektoren weniger und mit erheblich geringerer lexikalischer Variation in finnischen als in deutschen Zeitungsartikeln verwendet werden (Redeker 2000; Mauranen 1993; Piitulainen/Tiit- tula 2002; Graefen 1994). Sehr viele sprachliche Phänomene und Textsorten sind aus dieser Perspektive aber noch nicht erforscht worden.

1.2.3 Tertia comparationis

In der einschlägigen Literatur ist verschiedentlich darauf verwiesen worden, dass beim Textvergleich nicht nur ein einzelnes Element als Vergleichsobjekt fungieren darf; als Vergleichsgrundlage ist vielmehr ein Bündel von sprachlichen und nicht- sprachlichen Elementen aus verschiedenen Beschreibungsebenen notwendig. Vor allem ist dies im Rahmen einer kontrastiven Textsortenuntersuchung erforderlich, die komplexe Vergleichsobjekte hat. (Siehe u. a. Gläser 1992, 32.) Nach Hall (2005, 64) handelt es sich dabei um makrolinguistische Vergleiche, bei denen das Tertium comparationis viel schwieriger zu bestimmen ist als in mikrolinguistischen Arbei- ten, weil der Forscher dabei mit Einheiten zu tun hat, in denen Sprache mit außer- sprachlichen Faktoren zusammenwirkt.

Das Einbeziehen mehrerer Beschreibungsebenen erfordert das Heranziehen unterschiedlicher sprachtheoretischer Modelle sowie – bei der Kontrastierung von Textsorten – auch der textsortenbezogenen Fachliteratur. Entsprechend den in der vorliegenden Untersuchung einbezogenen Beschreibungsebenen und theoretischen Ansätzen sind für die kontrastive Analyse die folgenden Tertia comparationis zu de- finieren:

Als primäres Tertium comparationis dient das Erstglied des Aussagesatzes, d. h.

diejenige grammatisch-strukturelle Einheit, die das erste Satzfeld des Aussagesatzes besetzt: im Deutschen das Vorfeld, im Finnischen das Erstfeld (s. 4.1).

Als sekundäre Vergleichsebenen und -objekte gelten die folgenden:

1) Die pragmatischen Funktionen von syntaktischen Konstituenten im Rahmen der informationellen Gliederung vom Satz und Text (in Anlehnung an Molnár 1993):

• Funktionen des Topiks und des Textthemas

• außerdem: Anschluss-, Kontrast- und Fokusfunktion

2) Satzgliedfunktionen, wie sie in der Valenz- und Dependenztheorie definiert werden (vor allem nach Engel 1988, 1994):

• Ergänzungen und Angaben

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3) Syntaktisch und semantisch definierte, abstrakte Grundsatzmuster (in Anleh- nung an Typologien von Lyons 1979 und Hakulinen et al. 2004):

• Transitiv-, Intransitiv-, Prädikativ-, Existentialsatz und subjektlose Satz- muster

4) Textorganisierende Prozeduren (als elementare sprachliche Handlungen) (in Anlehnung an Ehlich 1994, Graefen 1994, 1997):

• Anaphorische, deiktische und symbolische Prozedur

5) Textsorten mit übereinzelsprachlich definierbaren Merkmalen, bezüglich der Textfunktion, der situativen und der thematischen Merkmale (in Anlehnung an integrative textlinguistische Theorien, journalistische und literaturwissen- schaftliche Darstellungen):

• Zeitungsbericht, Zeitschriftenreportage, Roman

Auf jeder Beschreibungsebene wird im Rahmen der kontrastiven Untersuchung dar- auf gezielt, herauszustellen, wie die jeweiligen Funktionen und Muster im Deutschen und im Finnischen sprachlich realisiert werden.

Die Unterschiede in der Vorfeldbelegung der verschiedenen Korpustexte können auf verschiedene Faktoren zurückgeführt werden, wie in 1.1 festgestellt wurde: Sie können durch das sprachliche System, durch ein unterschiedliches Thema, durch textsortenspezifische Faktoren sowie auch durch andere Faktoren, wie die persön- lich-stilistische Varianz, bedingt sein. Bei der Analyse werde ich von der Annah- me ausgehen, dass die verschiedenen Bedingungen der Erstgliedwahl nach dem fol- genden Schema zu ermitteln sind:

1) Im Rahmen der intersprachlichen Kontrastierung kann mittels der quanti- tativen Ergebnisse, die das gesamte Korpusmaterial einbeziehen, zumindest teilweise herausgestellt werden, welche Elemente insgesamt im Deutschen ty- pischer sind als im Finnischen – und umgekehrt – und welche Phänomene überhaupt nur in einer der Sprachen vorkommen. Zur Entdeckung der sprach- lich bedingten Diskrepanzen dient insbesondere der Übersetzungsvergleich.

2) Das Ziel der interkulturellen Kontrastierung besteht darin, die Unterschiede in der Setzung des Erstglieds zwischen deutschen und finnischen Texten in- nerhalb jeweils einer Textsorte zu ermitteln. Wenn ein gegebenes Merkmal nur in deutschen bzw. nur in finnischen Belegen einer gegebenen Textsorte vorkommt und sich nicht in Anlehnung an sprachliche Faktoren erklären lässt, können wir möglicherweise den Schluss ziehen, dass es sich um ein kulturell bedingtes Phänomen handelt, zumindest, wenn das betreffende Merkmal im überwiegenden Teil der Korpusbelege zu finden ist, die dieselbe Textsorte re- präsentieren.

3) Mittels der intrasprachlichen und -kulturellen Kontrastierung kann schließ- lich ermittelt werden, wie sich die Erstgliedstrukturen der verschiedenen

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Textsorten und der Texte einzelner Autoren innerhalb eines Kulturraums voneinander unterscheiden. Die Unterschiede können einerseits durch abwei- chende Merkmale der einzelnen Textsorten bedingt sein, aber sie können auch von den behandelten Themen oder aber von den stilistischen Präferenzen des Autors abhängig sein. Aus diesem Grund können im Prinzip nur diejenigen Merkmale, die in allen oder zumindest in den meisten Texten einer Textsorte auftreten, als textsortenspezifische Phänomene zur Diskussion gestellt wer- den.

Thematische Bedingungen hinsichtlich der Erstgliedwahl werden hauptsächlich in Kapitel (7) behandelt, wobei auch besonders auf textsortenbezogene Unterschiede geachtet wird. Die Texte der vorliegenden Teilkorpora sind thematisch nicht einheit- lich; somit zielt die vorliegende thematische Analyse vor allem darauf, charakteristi- sche Prozeduren der Textstrukturierung und Muster der Themenbearbeitung in den zu untersuchenden Textsorten zu ermitteln. Nur am Beispiel des Reise-Themas, das in einigen Texten aller Korpustextsorten behandelt wird, soll in 7.5 veranschaulicht werden, inwieweit die Erstgliedwahl vom Thema („an sich“) und inwiefern sie von der Textsorte abhängig ist.

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2 t heoretIsche h IntergrünDe Der u ntersuchung

Die in diesem Kapitel darzustellenden theoretischen Ansätze bilden neben der kon- trastiven Korpustextanalyse die Grundlage für die vorliegende Untersuchung der syntaktischen und diskursiven Funktionen des Aussagesatz-Erstglieds im Deutschen und im Finnischen. Die Verbindung mehrerer Theorien als Beschreibungsbasis ist zum Einen unumgänglich, weil unterschiedliche sprachliche Phänomene behandelt werden sollen, und zweitens aus dem Grund, dass den herkömmlichen deutschen und finnischen Grammatiken teilweise unterschiedliche theoretische Rahmenansät- ze zugrunde liegen. Seit den siebziger Jahren wird die deutsche Sprache vor allem auf der Basis der Valenz- bzw. Dependenztheorie beschrieben. In finnischen Gram- matiken ist der Einfluss der traditionellen und der generativen Grammatik stärker gewesen, heute ist jedoch auch die Bedeutung der Valenztheorie beträchtlich. Sowohl in den deutschen als auch in den finnischen Grammatiken werden zur Beschreibung unterschiedlicher sprachlicher Ebenen und Phänomene auch andere theoretische Modelle herangezogen.

Zur Kontrastierung der allgemeinen strukturellen Merkmale des Deutschen und des Finnischen werden in 2.1 sprachtypologische Ansätze dargestellt. Die Definition von deutschen und finnischen Satzgliedern und auch die Beschreibung der grundle- genden Satzmuster basiert in der vorliegenden Untersuchung in erster Linie auf der Valenztheorie, die in 2.2 diskutiert werden soll. Als Grundlage der syntaktischen Beschreibung werden ferner Einsichten der so genannten Konstruktionsgrammatik herangezogen (2.3), um Satzkonstruktionen zu erklären, die sich nicht auf der Basis der „Grundvalenz“ des Verbs erklären lassen. Diese Konstruktionen umfassen einer- seits Sätze, in denen das Verb mit einer „reduzierten“ oder „erweiterten“ Valenz oder aber in einer ungewöhnlichen Valenzumgebung erscheint, und andererseits Kopula- konstruktionen, in denen das Verb aufgrund seiner inhaltlichen Vagheit sowie seiner Fähigkeit, in sehr unterschiedlichen Konstellationen aufzutreten, nicht im gleichen Maße als Valenzzentrum des Satzes angesehen werden kann wie im Fall der meisten anderen Verben.

In 2.4 wird auf der Basis der von Fillmore im Jahre 1968 begründeten Kasus- theorie und der Funktionalen Grammatik von Welke (2002) das Verhältnis der syn-

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taktischen und der semantischen Struktur des Satzes vor allem am Beispiel des Deut- schen diskutiert.

In 2.5 werden Ergebnisse und Konzepte der so genannten Kategorialgrammatik herangezogen, so wie sich diese Theorie in der Mannheimer IDS-Grammatik (Zifo- nun et al. 1997) darstellt. In erster Linie soll dieser Ansatz hier dazu dienen, die Li- nearstruktur der deutschen und finnischen Satzmuster zu erläutern und kontrastiv darzustellen. Die Kategorialgrammatik erklärt die Abfolge der Verbargumente auf der Basis ihrer Nähe zum Verb sowie ihrer Position in der semantischen Hierar- chie der Argumente. Der Verdienst dieses Ansatzes besteht aus der Perspektive der vorliegenden Untersuchung einmal darin, dass dabei valenz- und kasustheoretische Einsichten – und somit die syntaktische und die semantische Beschreibungsebene des Satzes – auf anschauliche Weise miteinander kombiniert werden. Ein anderer Vorteil ist, dass bei der Beschreibung auch jene deutschen Satzmuster mitberücksich- tigt werden – anders als in den einschlägigen Valenz- und Dependenzgrammatiken – in denen das Subjekt, obwohl es im Satz vorhanden ist, nicht als 1. Argument des Verbs bezeichnet werden kann.

In 2.6 werden Ansätze zu Funktionen des Erstglieds in der pragmatischen Gliede- rung des Satzes diskutiert, wobei dem Erstglied in der Hauptsache die Topik-Funk- tion zugesprochen wird. In 2.7 handelt es sich um diejenigen textlinguistischen Mo- delle, die die Grundlage für die vorliegende kontrastive Korpustextanalyse bilden, vor allem für die Beschreibung der thematischen Organisation der Analysetexte.

Textlinguistische, literaturwissenschaftliche und journalistische Theorien und Ansätze, die zur kontrastiven Darstellung der allgemeinen Merkmale der vorlie- genden Korpustextsorten herangezogen wurden, sollen erst in Kapitel 3 erläutert werden.

2.1 Typologische Merkmale des Deutschen und des Finnischen

2.1.1 Grundwortfolge

In Anlehnung an Greenbergs (1963) S, O, V-Typologie teilt Siewierska (1998, 6; 513) die heutigen europäischen Sprachen in drei Gruppen ein:

1) Den VSO-Typ repräsentieren die keltischen Sprachen West-Europas.

2) Eine SOV-Folge weisen die Sprachgruppen in der östlichen und südlichen Peripherie von Europa auf (Nakh-Daghestaniasch, Kartvelianisch, Nordwest- Kaukasisch, Altaisch und einige uralische Sprachen).

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3) Den SVO-Typus vertreten die übrigen Sprachgruppen, wie die germanischen Sprachen und von den uralischen Sprachen u. a. das Finnische und das Est- nische.

Alle germanischen Sprachen, mit Ausnahme des Englischen, stellen so genannte V2-Sprachen dar, weil das Finitverb im Aussagehauptsatz die Zweitposition ein- nimmt. Von den germanischen Sprachen sind nach Holmberg/Rijkhoff (1998, 78ff.) das Englische, die skandinavischen Sprachen und das Jiddische als SVO-Sprachen anzusehen, während die restlichen germanischen Sprachen, darunter das Deutsche, vielmehr „VO/OV“-Sprachen darstellen, weil das Verb im Nebensatz und beim Vor- handensein einer verbalen Klammer auch im Mittelfeld des Aussagesatzes in der Letztstellung auftritt.

Als ursprüngliche Wortfolge der uralischen Sprachen wird allgemein SOV ange- nommen. Von den heutigen Mitgliedern der uralischen Sprachfamilie weisen aber nur wenige SOV als Grundwortfolge auf; stattdessen gelten z. B. das Finnische und das Estnische nunmehr als SVO- (bzw. SVX-)Sprachen. Unterhalb der Satzebene ha- ben sich allerdings einige Korrelate der kopffinalen Abfolge bewahrt: Erstens werden in allen uralischen Sprachen ausschließlich oder hauptsächlich Postpositionen statt Präpositionen verwendet; das Finnische hat eine geringe Anzahl von Präpositionen.

Zweitens ist die Nominalphrase in diesen Sprachen in erster Linie kopffinal, d. h. die meisten Attribute stehen vor dem Bezugswort.1 (Vilkuna 1998, 178; Holmberg 1998, 553; Salminen 1993, 30.)

Roelcke (1997, 147 ff.)2 zufolge können die verschiedenen Erscheinungen der Wort- und Satzgliedstellung entweder einem emissiven, nach rechts konstruierenden, oder einem rezeptiven, nach links konstruierenden Sprachtyp zugeordnet werden. Dem emissiven Sprachtyp entsprechen nach seiner Auffassung die folgenden Merkmale:

1) die Stellung des Objekts nach dem Verb

2) die Stellungen des Adjektivs oder Genitivattributs nach dem Nomen 3) das Vorkommen von Präpositionen

Für den rezeptiven Sprachtyp sind nach Roelcke entsprechend die folgenden Eigen- schaften charakteristisch:

1) die Stellung des Objekts vor dem Verb

2) die Stellungen des Adjektivs oder Genitivattributs vor dem Nomen 3) das Vorkommen von Postpositionen

1 Eine nachfinite attributive Erweiterung ist der Relativsatz.

2 Roelckes Darstellung gründet sich auf Wortfolgetypologien seit den siebziger und achtziger Jahren (z. B. auf Werken von Hawkins, Lehmann und Vennemann), die von zwei grundlegenden Wort- stellungenstypen ausgehen. Die Folge VO wird hier als progressiv determinierend bzw. als emissiv, die Folge OV wiederum als regressiv determinierend bzw. als rezeptiv aufgefasst.

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Wenn man von diesen Kriterien ausgeht, sind das Deutsche und das Finnische als Mischtypen zu charakterisieren, die sowohl Merkmale eines emissiven wie auch eines rezeptiven Sprachtyps tragen. Was das Deutsche betrifft, ist das gleichzeitige Vorhandensein der nach rechts und nach links konstruierenden Strukturen nicht nur in der „VO/OV“-Charakteristik zu sehen, sondern auch u. a. darin, dass das Ge- nitivattribut sowohl vor als auch nach dem Hauptwort auftreten kann (Peters Haus, das Haus eines Kaufmanns). Außerdem sind im Deutschen neben Präpositionen auch einige Postpositionen gebräuchlich (auf der Straße, die Straße entlang). Als eine SVO-Sprache wäre das Finnische dem emissiven Sprachtyp zuzuordnen. Gegen die- se Zuordnung spricht jedoch die Voranstellung des Adjektiv- und Genitivattributs und der Gebrauch von Postpositionen.

2.1.2 Flexion vs. analytische Sprachmittel

Im Bereich der Morphologie werden die Sprachen der Welt in vier Typen eingeteilt, je nachdem, wie die syntaktischen Beziehungen im Satz ausgedrückt werden. Als flektierend bzw. fusionierend gelten u. a. Latein und Deutsch, in welchen Sprachen die Morpheme formal zur Fusion tendieren. Im Gegensatz dazu weist das Finnische einen agglutinierenden Sprachbau vor, d. h. die Morpheme werden agglutinierend aneinander gereiht. Analytische (isolierende) Sprachen wie das Chinesische drü- cken die syntaktischen Beziehungen im Satz durch grammatische Hilfswörter und die Wortstellung aus, während in polysynthetischen Sprachen wie dem Irokesischen komplexe Wörter mit Morphemen gebildet werden, die nicht isoliert erscheinen kön- nen. (Bußmann 2002.)

Nach diesen Kriterien ergeben sich jedoch keine „reinen“ Sprachtypen, sondern das Deutsche und das Finnische z. B. weisen Merkmale von mehreren Sprachtypen auf. In beiden Sprachen stellen beispielsweise die Kasusformen ein wichtiges Mittel zur Markierung grammatischer Relationen dar, aber im Finnischen, wo fünfzehn Kasus vorliegen, sind sie ein wichtigeres Mittel als im Deutschen, wo vier Kasus ge- bräuchlich sind. Im Finnischen korrelieren die Kasus auch mit Definitheit/Indefi- nitheit ihrer Träger. Im Vergleich zum Finnischen weist das Deutsche eine größere Tendenz zum analytischen Sprachbau, was sich u. a. in der Verwendung von Arti- keln und Präpositionen zeigt. Von den analytischen Mittel des Finnischen sind vor allem Hilfsverben und Postpositionen zu nennen. In diachronischer Hinsicht ist in der indoeuropäischen Sprachfamilie eine entgegengesetzte Tendenz zu beobachten als in den uralischen Sprachen: Während sich die indoeuropäischen Sprachen in die analytische Richtung entwickelt haben – so dass z. B. im Französischen nur noch ein Kasus (der Nominativ) vorliegt, während das Lateinische noch fünf Kasus hatte – sind die uralischen Sprachen synthetischer geworden, denn die uralische Ursprache hatte nur sechs Kasus. (Bußman 2002, 332; Hakulinen et al. 2004, 1173; Hyvärinen

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2001, 429ff.; Koizumi 1994, 308; Suoniemi-Taipale 1994, 1; Salminen 1993, 29; von Polenz 1978, 12ff.; Itkonen 1966, 69f.; Ravila 1966, 83f.)

Eine Folgerung des reichen Kasussystems kann darin gesehen werden, dass die Wortstellung in Sprachen wie dem Finnischen – aber auch im Deutschen – nur eine relativ geringe Rolle bei der Markierung des Satzgliedstatus spielt, anders als etwa im Englischen und im Schwedischen, die nur marginale Flexion aufweisen:

1. The boy kissed the girl. *The girl [OBJ] kissed the boy [SUBJ].

2. Pojken kysste flickan. *Flickan [OBJ] kysste pojken [SUBJ].

3. Der Junge hat das Mädchen geküsst. Den Jungen hat das Mädchen geküsst.

4. Poika suuteli tyttöä. Poikaa suuteli tyttö.

Auf den Formenreichtum ist zumindest teilweise der Sachverhalt zurückzuführen, dass die finnische Satzgliedstellung in grammatischer Hinsicht außerordentlich frei ist.3 Die deutsche Linearstruktur ist durch eine größere Fixiertheit geprägt. Beson- ders streng sind die Stellungsregeln für die verbalen Elemente. Was aber die nomi- nalen Stellungsglieder betrifft, ist auch im Deutschen eine große Variabilität der An- ordnung zu beobachten.

Nach Siewierska (1998, 509ff.) ist Kasusmarkierung in Sprachen mit flexibler Wortfolge häufiger vertreten und entsprechend haben die meisten Sprachen ohne Kasusmarkierung (in ihrer Untersuchung 69 % von 171 Sprachen) entweder eine ri- gide Wortfolge oder aber nur sehr eingeschränkte Permutationsmöglichkeiten. Ein Teil der Sprachen, die Flexionsformen besitzen, weist nach Siewierska (1998, 9f.) jedoch eine fixierte Satzgliedfolge auf (9 von 171 Sprachen), während einige nicht- flexivische Sprachen eine sehr flexible Wortstellung haben. Das Vorhandensein bzw.

das Fehlen von Mitteln wie Kasusmarkierung und Kongruenz steht somit nur teil- weise damit in Verbindung, ob eine Sprache Wortfolgevariation aufweist oder nicht.

2.1.3 Diskurskonfigurationalität

Als eine viel versprechende Erklärungsgrundlage für die unterschiedliche Flexibi- lität der Wortfolge in verschiedenen Sprachen betrachtet Siewierska (1998, 10) das Kriterium der Diskurskonfigurationalität, d. h. den Grad von diskursiv bedingter Wortfolgevariation in einer Sprache. Siewierska verweist dabei insbesondere auf die Sprachtypologie, die Kiss (1998, 681ff.) auf der Basis einer Analyse von europäischen

3 Auf der Phrasenebene ist die Abfolge der Wörter im Finnischen jedoch verhältnismäßig fixiert.

Außerdem haben bestimmte Elemente im Satz eine definite Position; zum Beispiel können die Fragepartikel -ko/-kö nur an das Erstglied angeschlossen werden und Fragewörter (kuka ‚wer‘, mikä ‚was‘, usw.) müssen immer in der Erstposition stehen (Vilkuna 2000, 33).

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