• Ei tuloksia

2 Theoretische Hintergründe der Untersuchung

2.6 Ansätze zur pragmatischen Gliederung des Satzes

2.6.1 Theorien der funktionalen Satzperspektive

Die Trennung der grammatischen und der pragmatischen Ebene der Satzbeschrei-bung wurde (spätestens) von Weil im Jahr 1844 vorgeschlagen (vgl. 1.1). Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wird die inhaltliche Satzstruktur von Paul und von der Gabelenz durch die Bezugnahme auf Begriffe „psychologisches Subjekt“ und „psychologisches Prädikat“ beschrieben. Unter psychologischem Subjekt versteht Paul (1880/1975, 124 ff.) das, „worüber der Sprechende den Hörenden denken lassen, worauf er seine Aufmerksamkeit hinleiten will“, während das psychologische Prädikat das umfasst, was der Sprecher über das psychologische Subjekt denken soll. Von den Mitteln, die das psychologische Subjekt und Prädikat erkennen helfen, erwähnt Paul vor allem Tonstärke und Wortstellung (vgl. Eroms 1986, 2). Ammann (1928, 3) betrachtet die inhaltliche Gliederung des Satzes nicht mehr vorrangig als psychologisch motiviert, sondern in erster Linie von kommunikativen Faktoren bedingt, die auf den Hörer wirken. Nach Molnár (1993, 158) spiegelt sich dieser Perspektivenwechsel termino-logisch in den von Ammann (1928, 3) geprägten Termini „Thema“ und „Rhema“

wider, die den „Gegenstand der Mitteilung“ und „das Neue, das, was ich dem Hörer über das Thema zu sagen habe“ bezeichnen.

Die in den frühen Ansätzen implizierte Vielfachfunktion des Themas kommt be-sonders deutlich in der Thema-Definition von Mathesius (1939; u. a. in: Firbas 1987, 143) zum Ausdruck. Er betrachtet als Thema des Satzes:

(i) „[…] that which is known or at least obvious in the given situation, (ii) and from which the speaker proceeds [in his discourse].“

Diese Doppeldefinition hat in der Praxis dazu geführt, dass in den späteren Unter-suchungen zur pragmatischen Satzgliederung oft entweder das eine oder das andere Bestimmungsmerkmal des Themas – Bekanntheit oder Anfangsstellung – hervor-gehoben wird. Innerhalb der so genannten Prager Schule, die u. a. mit den Namen Mathesius, Daneš, Beneš, Firbas und Sgall verknüpft ist, wird das Kriterium der kontextuellen Bekanntheit vor allem in Arbeiten von Firbas (u. a. 1974, 1987) und Beneš (u. a. 1971, 1973) als das wichtigste Thema-Merkmal erklärt. Auch in sehr vielen anderen Darstellungen – z. B. Eroms (1986), Gerzymisch-Arbogast (1987), Makovec-Cerne (1991), Molnár (1993) und Duden (1998) – werden die kontextuell gegebenen Elemente des Satzes als „thematisch“ und die neuen Redeteile als „rhema-tisch“ gekennzeichnet. Andere Forscher plädieren hingegen für die Satzinitialität als grundlegendes Kriterium des Themas, so z. B. Boost (1964), Halliday (1967, 1974 und 1985), Welke (1992 und 2002), Bátori (1981) und Scherpenisse (1986). Als erster

differenziert Halliday im Jahre 1967 zwischen der Thema-Rhema-Ebene (als The-ma bezeichnet er das Erstglied, unabhängig vom Kriterium der Bekanntheit) und der bekannt-neu-Gliederung der Äußerung. Hockett (1958) führt das Begriffspaar

„Topik-Kommentar“ ein (vgl. Molnár 1993, 159). In weiteren Untersuchungen wer-den mittels Dichotomien wie Topik-Fokus, Fokus-Hintergrund und Vordergrund-Hintergrund jeweils spezifische Aspekte der Diskursstruktur den weiteren Aspekten gegenübergestellt (s. dazu u. a. Hetland/Molnár 2001, 620ff.).

2.6.2 Ebenen der Perspektivierung nach Welke

Wenn die Thema-Rhema-Opposition mit dem bekannt-neu-Gegensatz identifiziert wird, so wird die Definition der Thema-Rhema-Gliederung nach Welke (2002, 125) um eine wesentliche Dimension verkürzt, denn die Grundlage dieser Zuordnung ist die Bestimmung des Themas als Ausgangspunkt der Mitteilung. Diese Zuordnung ergibt sich aus der kommunikativen Maxime „Beginne bei dem, was Du beim Hörer als bekannt voraussetzen kannst!“ Die Definition des Themas folge jedoch nicht aus der Eigenschaft ‚bekannt‘, sondern sei als ein abgeleitetes Merkmal zu betrachten.

Das für das Deutsche in Frage kommende formale Kennzeichen des Themas, die Anfangsstellung, wird häufig mit der Begründung als nicht zutreffend eingestuft, dass auch Neues in der Anfangsstellung auftreten kann. Dies ist nach Welke (2002, 125) ein Fehlschluss: „Man kann aber auch die Anfangsstellung als Kennzeichen be-trachten und sie […] als ein stilistisches Mittel ansehen, dessen Effekt daraus ent-steht, dass der Sprecher entgegen der Erwartung des Hörers etwas Neues als Thema setzt.“

Mit der Theorie der funktionalen Satzperspektive gerät nach Welke (2002, 125f.) die Interpretation des Subjekts als 1. Argument in Konflikt, denn sowohl das Subjekt als auch das Thema sind in gewissem Sinn als Satzgegenstand bzw. als Ausgangspunkt der Perspektive zu definieren. Aus diesem Grund sind nach Welke zwei Ebenen der Perspektivierung anzunehmen, eine 1. Ebene der inhärenten Perspektivierung und eine 2. Ebene einer ‚äußeren‘ Perspektivierung, wobei es sich um die Strukturierung des Satzes nach Thema und Rhema handelt (vgl. Abschnitte 1.1 und 2.4). Die beiden Ebenen stehen teils in Übereinstimmung, teils in Widerspruch zueinander.

In der vorliegenden Darstellung wird ebenfalls zwischen der inhärenten und der sekundären Ebene der Perspektivierung differenziert. In Anlehnung an Welke wird hier die Anfangsstellung als Merkmal des Satzgegenstands auf der Ebene der thema-tisch-pragmatischen Satzperspektive angesehen. Im Unterschied zu Welke soll der Satzgegenstand jedoch nicht als Thema, sondern als Topik bezeichnet werden. Die Wahl dieses Terminus ist praktisch begründet: Mit dem Begriff „thematisch“ wird in der einschlägigen Literatur fast ausnahmslos auf diskursiv alte Redeteile verwiesen, während „Topik“ m. E. zumeist Satzinitialität impliziert. Das Wort Thema ist in der

Sprachwissenschaft äußerst vieldeutig; damit wird z. B. der Satzgegenstand oder das Bekannte im Satz gemeint, andererseits auch der Gegenstand des Textes/Diskurses oder aber eine bestimmte semantische Rolle (siehe u. a. Eroms 2000). In dieser Ab-handlung werden als Themen in Anlehnung an Zifonun et al. (1997) die kommuni-kativ konstituierten Gegenstände eines Textes (bzw. eines Diskurses) gemeint. Das Wort „thematisch“ soll entsprechend allgemein auf die Themenstruktur von Texten bezogen werden. Das Topik stellt hier somit grundsätzlich ein satzbezogenes, das Thema ein textbezogenes Konzept dar. Die Abtrennung der diskursiven Satz- und Textorganisation ist an sich künstlich, weil der Text sich im Grunde genommen aus Satzthemen und -rhemen zusammenstellt, aber zu praktischen Zwecken erscheint diese Unterscheidung dennoch erforderlich.63 Die pragmatische Organisation des Gesagten soll im vorliegenden Abschnitt und eingehender in 7.1 hauptsächlich in Bezug auf die Satzebene behandelt werden; Welkes Ansatz wird in 7.1.2 diskutiert. In 2.7 und 7.2 wird hingegen in erster Linie die thematische Textorganisation bespro-chen.

Wenn sowohl die Einteilung nach Satzgegenstand und Satzaussage als auch die bekannt-neu-Gliederung als Aspekte der sekundären Satzperspektivierung angese-hen werden, so ist diese 2. Ebene der Perspektivierung weiter in Unterebenen ein-zuteilen. Die Arten der pragmatischen Satzstrukturierung werden auf interessante Weise von Valeria Molnár (1993) anhand eines Dreiebenenmodells eingegrenzt und definiert.

2.6.3 Ebenen der pragmatischen Satzstruktur nach Molnár

Das so genannte Organonmodell von Bühler (1934) unterscheidet zwischen drei Funktionen des sprachlichen Zeichens (1. „einer“, 2. „dem anderen“, 3. „über die Din-ge“). Auf der Basis dieses Modells kann man nach Molnár (1993, 163 ff.) zwischen drei eigenständigen Ebenen der kommunikativen Strukturierung differenzieren: Die

„sachbezogene“ Topik-Kommentar-Ebene, deren Funktion im Ausdruck der Katego-rie des Worüber besteht, sei gegenüber der „empfängerbezogenen“ bekannt-neu-Ein-teilung sowie der „senderbezogenen“ Hintergrund-Fokus-Ebene der Kommunikati-on abzugrenzen (vgl. Järventausta 1997, 136ff.):64

1. Darstellung: TOPIK – KOMMENTAR

2. Empfänger: BEKANNT – NEU (Thema – Rhema) 3. Sender: HINTERGRUND – FOKUS

63 Entsprechend unterscheidet u. a. Lötscher (1983, 1987) zwischen Satz- und Textthema.

64 Auch Schanen (1995, 78) unterscheidet zwischen der informationellen und der kommunikativ-pragmatischen Ebene der Beschreibung: Auf der erstgenannten Ebene seien alle bekannten Ele-mente thematisch, während aus der kommunikativ-pragmatischen Perspektive wesentlich sei, in welcher Reihenfolge die Elemente des Satzes dargestellt werden.

Molnár (1993, 164) geht davon aus, dass die verschiedenen Aspekte der kommunika-tiven Gliederung jeweils mit bestimmten Formmitteln korrelieren. Zur Kennzeich-nung der Bekanntheit/Neuheit ist u. a. die Opposition der „vollwertigen Formen“

(Nomina und Verben) und der Proformen von Bedeutung. Hinsichtlich der Fokus-Hintergrund-Gliederung stellen wiederum die intonatorischen Faktoren die zuver-lässigsten formalen Mittel dar. Für das Topik ist vor allem das Merkmal der Satzini-tialität relevant, was in Zusammenhang mit Denk- und Kommunikationsstrategien steht. Molnár (1993, 162f.) definiert das Topik als eine pragmatische Kategorie, als das, worüber etwas in einer Mitteilung gesagt wird; der Kommentar ist entsprechend das, was darüber ausgesagt wird. Das Topik ist „eine universell vorhandene funktio-nale Kategorie, mit zum Teil sprachspezifisch variierenden grammatischen – syntak-tischen, phonologischen, semantischen – Korrelaten“. Der Beitrag der verschiedenen sprachlichen Mittel zur Kennzeichnung der Topikalität sei allerdings weiter zu dif-ferenzieren.

Obwohl es sich bei der Topik-Kommentar-Gliederung um eine satzinterne Relati-on zwischen Satzgegenstand und Satzaussage handelt, sind nach Molnár (1993, 163) bestimmte Aspekte der Topikalität nur durch den Bezug auf einen größeren Diskurs-zusammenhang zu klären. Die Bekanntheit/Neuheit der Elemente eines Satzes lässt sich selbständig nur in Relation zum Kontext definieren. Entsprechend ist die Fokus-Hintergrund-Gliederung – auch wenn man darunter ein in erster Linie phonolo-gisches Phänomen versteht – nur auf der Folie des Diskurszusammenhangs erklär-bar, denn Fokussierung kann z. B. zu dem Zweck angesetzt werden, eine Satzeinheit gegenüber einem bereits besprochenen Gegenstand zu kontrastieren.

In 7.1 werden die pragmatischen Funktionen des Erstglieds im deutschen und im finnischen Aussagesatz auf der Basis von Molnárs Diskursmodell diskutiert. Grund-legend ist dabei die Annahme, dass das erste Satzglied des Aussagesatzes in beiden Sprachen im Allgemeinen das Topik des Satzes bildet. Ausnahmen stellen vor allem semantisch leere Elemente (insbesondere das nicht-anaphorische es) dar, die in der Erstposition auftreten, sowie auch bestimmte satzeröffnende neue Einheiten, wie das finite Negationsauxiliar ei im Finnischen. Textuelle Neuheit wird in dieser Darstel-lung jedoch nicht in Opposition zur Topikfähigkeit angesehen, sondern in Anleh-nung an Molnár wird die Annahme vertreten, dass u. a. in diskursinitialen Sätzen, die nur diskursiv neue Elemente aufweisen, ebenfalls eine Topik-Kommentar-Gliede-rung vorhanden ist.

Gegen die Bestimmung des Erstglieds als das, worüber im Satz etwas gesagt wird, könnte man einwenden, dass ein Satz als eine Aussage über mehrere Gegenstände bzw. Sachverhalte gleichzeitig dienen kann. Darauf verweist u. a. Schröder (2001, 136), der dieses Problem durch das folgende Beispiel veranschaulicht:

74. Am 28. Februar soll eine kleine Spitzenrunde die Verhandlungen fortsetzen. Daran nehmen Waigel sowie Schäuble und Solms und Scharping, Voscherau und der nord-rhein-westfälische Finanzminister Hans Schleußner teil.

Dass man die Verhandlungen als Gegenstand der Mitteilung auffasst, auf die mit dem Vorfeldausdruck Bezug genommen wird, ist nach Schröder (2001, 137) nicht ohne Weiteres eine akzeptable Lösung:

Denn streng genommen ist die Aussage sicher auch eine Aussage über die Personen, die als Teilnehmer genannt werden. Wenn im Beispiel trotzdem nicht die Teilnehmer, sondern die Verhandlungen als primärer Gegenstand der Aussage aufgefasst werden (obwohl sie als Objekt auftreten), so scheint dies eben durch die Vorfeldstellung be-dingt.

Diesen Zusammenhang könnte man nach Schöder (2001, 137) als Topikalisierungs-effekt bezeichnen, der folgendermaßen zu definieren sei:

Ein Element, das normalerweise aufgrund seiner grammatischen Kategorie und sei-ner semantischen Rolle nicht als Aussagegegenstand gilt, wird dank seisei-ner Vorfeld-stellung zum Ausgangs- und Bezugspunkt der Mitteilung.

Was die Textorganisation betrifft, so weisen in Beispiel 80 nach Schröder der Topika-lisierungseffekt und die Anknüpfungsfunktion des Vorfeldglieds gemeinsam darauf hin, dass die Verhandlungen als Textthema erhalten bleiben und den gemeinsamen Bezugsgegenstand von beiden Sätzen bilden. Durch die Topikalisierung werde so-mit eine Darstellungsperspektive greifbar, die einen Hinweis auf die textthematische Ausrichtung geben kann.

Auch die vorliegende Abhandlung geht von der Annahme aus, dass der Sprach-produzent einen Gegenstand durch Initialstellung als primären Bezugspunkt der Mitteilung indizieren will. In einem Satz können zwar Informationen über mehrere Redegegenstände vermittelt werden, aber unter ihnen besteht eine hierarchische An-ordnung, wobei das Topik als der im betreffenden Satz wichtigste Gegenstand anzu-sehen ist, auch wenn im Satz Themen vorkommen, die auf der Textebene relevanter sind.