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Lvcrec - Venvs - Ivditt : Tallinner Bucheinbände zu Beginn der frühen Neuzeit : Buchbinder, Einwirkungen und Verzierungen

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Academic year: 2022

Jaa "Lvcrec - Venvs - Ivditt : Tallinner Bucheinbände zu Beginn der frühen Neuzeit : Buchbinder, Einwirkungen und Verzierungen"

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LVCREC – VENVS – IVDITT

TALLINNER BUCHEINBÄNDE ZU BEGINN DER FRÜHEN NEUZEIT.

BUCHBINDER, EINWIRKUNGEN UND VERZIERUNGEN

LIIA REBANE

Esitetään Helsingin yliopiston humanistisen tiedekunnan suostumuksella julkisesti tarkastettavaksi auditoriumissa XII

perjantaina 15. kesäkuuta 2018 klo 12.

Helsinki 2018

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an Katariina

Umschlag und Layout: Mari Kaljuste Auf dem Umschlag: Luther, Martin, 1552 Der Erste Teil der Bücher vber etliche Epistel der Aposteln.

Wittemberg. Gedruckt durch Hans Lufft. TLÜ AR I, 2197 (92628)

ISBN 978-9949-88-512-1 Unigrafia Oy (Yliopistopaino Helsinki)

© Liia Rebane, 2018

(pdf.)

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an Katariina

Umschlag und Layout: Mari Kaljuste Auf dem Umschlag: Luther, Martin, 1552 Der Erste Teil der Bücher vber etliche Epistel der Aposteln.

Wittemberg. Gedruckt durch Hans Lufft. TLÜ AR I, 2197 (92628)

ISBN 978-9949-88-456-8 Unigrafia Oy (Yliopistopaino Helsinki)

© Liia Rebane, 2018

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INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort 11

I EINLEITUNG 14

1. Das Wesen des Einbandes 15

1.1. Gesichtspunkte der Forschung 15

1.2. Forschungsmethodik der Bucheinbände und Attribuierungsfragen 17 Methodik 17 Attribuierung 21 1.3. Die Materialität – Bucheinbände als materieller Nachlass 24 1.4. Eine Abbildung – Ikonografie der Themen des Einbanddekors 27

1.5. Grenzen und Quellen der Forschung 36

1.6. Verlauf der Forschungsarbeit 39

2. Die Geschichte der Einbandforschung 41

2.1. Internationale Forschung 41

2.2. Forschungsgeschichte in Estland 46

II EINBANDDEKOR UND EINBANDSCHULEN 50 3. Bildungsgeschichte des frühneuzeitlichen Bucheinbandes 51

4. Die niederländische Einbandgruppe 56

4.1. Die Brügger Einbände 56

4.2. Die Problematik der Kaufbücher – nur Kaufmannsbücher? 60 4.3. Der Einband des Rechnungsbuches der Wetteherren 61 Einbanddekor – Ikonografie und künstlerische Vorbilder 66 4.4. Über den Kult Jakobus’ des Älteren 77 4.5. Die Einbandgruppe von Paul van Vardebeke,

des Meisters des Wetteherren-Einbandes 80

4.6. Typologie der Brügger Einbände 86

4.7. Die Antwerpener Einbandgruppe 89

4.8. Der Einband des Protokollbuches der Strafsachen des Niederen Gerichts 90

Porträt Karl V 92

Ikonografie und Vorbilder für Dekor: Münzen und Medaillen 93 Einflüsse von Grafik und Porträtkunst 99 Andere im Einbanddekor eingesetzte Stempel 110 4.9. Die in Belgien aufbewahrte Einbandgruppe mit dem Porträt Karl V. 117 4.10. Die Einbandgruppe des Nachfolgers von Claus van Duermale 119 4.11. Andere Einbände der Antwerpener Gruppe im Tallinner Stadtarchiv 122 4.12. Zusammenfassung der niederländischen Einbandgruppe 125

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5. Einbandgruppe von Gerth Kulemann 131 5.1. Einleitung – Grundlagen der Bildung der Einbandgruppe 131

5.2. Beschreibungen der Einbände 133

5.3. Rosina und Wenir – wer sind sie? Stempel, Ikonografie und Vorbilder 148 Die Rolle WENIR – LVCREC – ROSINA – IVDIT 150 Die Rolle VENVS – 1536 – PRVDEN – LVCRECIA 161 Die Rolle mit Pflanzenranken und die Einzelstempel 169 6. Die Werke des Meisters des Privilegienbuches 173

6.1. Über den Buchbinder 173

6.2. Die Analyse der Einbandgruppe 176

7. Die Einbandgruppe von Urban Dene 188

7.1. Beschreibung der Einbände und ihres Dekors 194

8. Einbände unbekannter Meister 204

8.1. Erscheinungen des gotischen Einbandes auf frühneuzeitlichen Einbänden 204 8.2. Das Granatapfelmotiv auf den Einbänden des 16. Jahrhunderts 205 8.3 Frühneuzeitliche Motive auf den Einbänden des 17. Jahrhunderts 217

8.4. Niederländische Einflüsse 219

8.5. Die Schwertliliengruppe 220

8.6. Mappeneinbände 224

8.7. Festeinbände 227

III TALLINNER BUCHBINDER IM 16. JAHRHUNDERT UND

IHRE STELLUNG IN DER GESELLSCHAFT 234 Einleitung 235 9. Im Dienste der Kirche und der Bildung 235

9.1 Gerth Kulemann 240

9.2 Adam Weiss 244

9.3 Christoff Elblingh 246

9.4 Jürgen Puser 249

10. Buchhändler 250

10.1 Laurentz Beckmann und Sohn 250

10.2 Der Buchbinder Hans 251

10.3 Lars 251

10.4 David Grund 252

10.5 Weitere Buchhändler 256

11. Wandermeister und unbekannte Meister 258

11.1 Frans Bokbindare 258

11.2. TS und der Meister des Privilegienbuches 258

11.3 Lose Blätter 259

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BUCHEINBäNDE DER FRüHEN NEUzEIT.

AM BEISpIEL DER SAMMLUNG DES STADTARCHIVS TALLINN 260 Zusammenfassung 261 Schulen und Dekor 262 Buchbinder 266 ANLAGE 1: Katalog der Einbände 268

1. Niederländische Einbandgruppe 269

1.1. Brügger Schule 269

1.2. Antwerpener Einbandgruppe 270

2. Einbandgruppe von Gerth Kulemann 274

3. Die Werke des Meisters des Privilegienbuches 284

4. Die Einbandgruppe von Urban Dene 296

5. Einbände unbekannter Meister 308

5.1. Erscheinungen gotischen Einbandes auf frühneuzeitlichen Einbänden 308 5.2. Das Granatapfelmotiv auf den Einbänden des 16. Jahrhunderts 309 5.3. Frühneuzeitliche Motive auf den Einbänden des 17. Jahrhunderts 316

5.4. Niederländische Einflüsse 319

5.5. Die Schwertliliengruppe 321

5.6. Mappeneinbände 325

5.7. Festeinbände 328

ANLAGE 2: Das Verzeichnis der auf den Einbänden des Tallinner

Stadtarchivs Eingesetzten Stempel 335

A. Rollenstempel 335

B. Einzelstempel 340

C. Plattenstempel 341

ANLAGE 3: Inventarium von David GRUND 344 Literaturverzeichnis 355 Abkürzungen 355

Ungedruckte Quellen 356

Archivalien 356

Mündliche Quellen 300

Online-Quellen 357

Gedruckte Quellen 361

Sekundärliteratur 365 Bilderverzeichnis 378 Summary 381 Register 382 Namenverzeichnis 382 Ortsnamenverzeichnis 389

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Vorwort

Das Interesse für die Kunst hat mich seit meiner Kindheit begleitet. In meiner Schule mit erweitertem Kunstunterricht lernte ich Kunstwerke herzustellen und fand es sehr inspirierend, Kunstwerke zu analysieren und Kunstgeschichte ken- nenzulernen. Zu meinem Forschungsthema kam ich über mehrere Umwege – bis mir auf einmal klar wurde, dass gerade die kleinen rätselhaften Bilder auf Bucheinbänden die richtige Herausforderung für mich sind. Auf diesem Weg hatte ich viele Unterstützer. Kaalu Kirme, Prof. em. der Universität Tallinn, war einer der ersten, der mich mit fester Hand bei diesem Thema angeleitet und angespornt hat. Prof. Jukka Ervamaa und Johanna Vakkari unterstützten meine ersten Schritte an der Universität Helsinki. Mein Weg bis zur Fertigstellung der Dissertation war lang und kompliziert – und auch mit Gedanken ans Aufgeben verbunden. Es gab jedoch immer Menschen um mich, die mich ermutigten fortzufahren. Auch ungünstige Zeiten und Bewertungen hatten ihre konstruktive Wirkung und dienten dem Endziel. Meinen aufrichtigen Dank an alle!

Herzlichen Dank an Riitta Konttinen, Prof. em. der Universität Helsinki, die mir im Rahmen ihrer Forschungsseminare vieles beigebracht und mich in vielerlei Hinsicht beraten hat. Mein besonderer Dank gilt meinen Betreu- ern: Prof. Ville Lukkarinen (Universität Helsinki) und Prof. Outi Merisalo (Universität Jvväskylä), deren Wohlwollen, Kommentare und Hinweise von entscheidender Bedeutung waren. Ich bin dankbar, dass ich eine Zeit lang an der Universität Helsinki studieren konnte. Neben akademischen Kenntnissen konnte ich unter meinem verwandten Volk auch humanistische Prinzipien und nordische Freiheit kennenlernen. Ich danke der Universität Helsinki für die Unterstützung und die Möglichkeit, in mehreren Fachrichtungen zu studieren.

Ich bedanke mich bei Dr. Armin Schlechter und Dr. Hanna Pirinen, Senior Forscher der Universität Jyväskylä als die Opponenten meiner Dissertation, die meine Forschung gelesen und genehmigt haben.

Ich hatte Freunde um mich, die mich stets durch Gespräche, Ratschläge und ihre Freundschaft unterstützt haben: Elina Räsänen, meine Kommili- tonin aus einem Forschungsseminar an der Universität Helsinki, und Ave

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Tarvas, meine Kommilitonin von der Universität Tallinn. Ich bedanke mich bei Elina Räsänen, die im Laufe der Jahre eine gute Freundin geworden ist, mit der ich lange Gespräche über mittelalterliche und frühneuzeitliche Kunst führte, und deren Ratschläge Gold wert waren. Herzlichen Dank auch an ihre Familie. Ich bedanke mich bei Ave Tarvas, die meine Forschungsarbeit in ihren verschiedenen Stadien gelesen hat: Ihre Überlegungen dazu und die allseitige Unterstützung haben zur Fertigstellung der Dissertation beigetragen;

in Fachdiskussionen mit ihr haben meine Hypothesen eine gute Widerspie- gelung gefunden.

Ich bedanke mich bei Anna Peräla für jahrelange Unterstützung, fruchtbare Gespräche, konstruktive Ratschläge und Freundlichkeit; bei Helena Edgren, in deren Forschungsgruppe für Mittelalter ich viel gelernt habe; bei meinen Mitstudierenden Johanna Vuolasto, Hanne Selkokari, Eva Ahl-Waris, Anne- Maria Pennonen, Anna Ripatti, Ira Westergård, Kirsi Eskelinen, Anna-Maria von Bonsdorff und vielen anderen für fördernde und unentbehrliche Gesprä- che. Vielen Dank für Gespräche und Ratschläge auch an Simo Heininen, Prof.

em. der Universität Helsinki, und Anneli Luhtala, Lektorin für klassische Sprachen.

Ohne die Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel wäre meine Disserta- tion nicht das, was sie heute ist. Ich bin aufrichtig dankbar für die mehrfa- che Möglichkeit gerade dort – in der weltweit bekannten Bibliothek, deren mittelalterliche und frühneuzeitliche Sammlung eine wahre Schatzkammer ist – zu forschen, zu diskutieren und an meiner Dissertation zu arbeiten. Für diese Möglichkeit bedanke ich mich bei Dr. Jill Bepler, Leiterin der Abteilung Stipendien, Wissenschaftliche Veranstaltungen und Nachwuchsförderung der Herzog-August-Bibliothek, und bei Prof. Dr. Helwig Schmidt-Glintzer, Direktor der Herzog-August-Bibliothek. Vielen Dank an alle Mitarbeiter der Herzog-August-Bibliothek, die in jeder Hinsicht meine Forschungsarbeit unterstützten. In Wolfenbüttel ist mir eine besondere elterliche Fürsorge und Unterstützung seitens Dr. Ute Etzold und Dr. Gottfried Etzold zuteil gewor- den. Ich bedanke mich bei ihnen für eingehende Gespräche, in denen meine Aufmerksamkeit auf Aspekte gerichtet wurde, die sonst außer Acht geblie- ben wären, und in denen so mancher Gedanke einen tieferen Inhalt bekam;

ebenfalls bedanke ich mich für ihre warme Freundlichkeit.

Bei meinem ersten Aufenthalt in Wolfenbüttel im Jahre 2007 hatte ich das Glück, dort das Jahressymposium des AEB (Arbeitskreis für die Erfassung und Erschließung Historischer Bucheinbände) mitzuerleben und persönlich international bekannte Einbandforscher zu treffen, die ich bis dahin nur aus der Fachliteratur kannte. Dort sind Beziehungen mit Elly Cockx-Indestege und

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Dr. Konrad von Rabenau entstanden, die beide meine Forschung inhaltlich sehr unterstützt haben. Elly Cockx-Indestege hat das Kapitel über Niederlande durchgelesen und kommentiert. Konrad von Rabenau teilte mit mir seine umfangreichen Kenntnisse im Bereich der Einbandgeschichte und Stempel, gab Auskünfte über seine Stempeldatenbank und half mir die richtige Richtung zu finden. Meinen aufrichtigsten und herzlichsten Dank an sie!

In der Endphase der Dissertation war die Unterstützung durch Prof. Erkki Truve, Prorektor für Forschung der Technischen Universität Tallinn (2010–2015), von grundlegender Bedeutung, ohne die es sehr schwer gewesen wäre, das Ziel zu erreichen. Vielen Dank!

Für das unterstützende Mitdenken bedanke ich mich bei Andreas Witten- berg, Anchise Tempestini, Anne Laur, Indrek Hinrikus, Irene Hueck, Katrin Kaugver, Kirsi Saarikangas, Kyra Robert, Lilian Kotter, Lina Plausinaitytė, Mai Luht, Maire Aigro, Markus Hiekkanen, Rene Haljasmäe, Renja Suominen- Kokkonen, Ruth Hiie, Sirje Lusmägi, Tapani Boman, Susanna Aaltonen, Ulrich Schwarz, Urmas Oolup, Urve Sildre und bei vielen Freunden und Bekannten, die ich hier nicht alle aufzählen kann, die mich aber stets motiviert haben.

Herzlichen Dank!

Ich bedanke mich bei dem Kunsthistorischen Institut in Florenz, dem Max-Planck-Institut, dem Stadtarchiv Antwerpen, dem Stadtarchiv Brügge, dem Stadtarchiv Tallinn, der Akademischen Bibliothek der Universität Tal- linn und der Bibliothek der Technischen Universität Tallinn. Die vorliegende Forschung wurde gefördert von der Emil-Öhmann-Stiftung der Finnischen Akademie der Wissenschaften, der Kalev-Kuitunen-Stiftung, der Kurt-und- Marga-Möllgaard-Stiftung und der Andrew-W.-Mellon-Stiftung.

Den größten Anteil an Miterleben und Mitleiden hatten meine Familien- mitglieder – meine Eltern Silva und Ilmar Lust, meine Tante Vilma Tint und meine Kinder Katariina und Kristiina Rebane. Ich bedanke mich bei ihnen für ihre allseitige Unterstützung und Liebe. Ich widme dieses Buch meiner Tochter Katariina, die auf diesem langen Weg an meiner Seite war, mit mir das Gute miterlebte und mich im Schlechten unterstützte. Ich verbeuge mich tief vor Dir, liebes Kind!

Tallinn, den 2. April 2018 Liia Rebane

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EINLEITUNG

I

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1. Das Wesen des Einbandes

1.1. Gesichtspunkte der Forschung

Den Gegenstand dieser Forschung bilden bereits mehrere Jahrhunderte alte Bücher, die bis in den heutigen Tag gelangt sind, da sie sowohl zu ihrer Zeit als auch von nachfolgenden Generationen geschätzt wurden. Allerdings ist ihre Existenz bis zum heutigen Tage trotz mehrerer Kriege und gesell- schaftlicher Umwälzungen und veränderlicher menschlicher Haltungen wohl auch durch schieres Glück gesichert worden. Genauer gesagt, bildet den Gegenstand dieser Forschung die materielle und ästhetische Form der Bücher. In Betracht gezogen werden dabei spätmittelalterliche und früh- neuzeitliche Ledereinbände aus dem Zeitraum zwischen 1480 und 1600. Das Forschungsmaterial basiert auf einer Sammlung dekorierter Ledereinbände im Tallinner Stadtarchiv, deren Verbindungen auch zu anderen Einband- kollektionen führen. Hinzu kommen einige Bände aus der akademischen Bibliothek der Tallinner Universität sowie aus anderen estnischen Archive- inrichtungen. Im weiteren Zusammenhang erstreckt sich das Material aber bis nach Brügge und Antwerpen in Belgien, bis in die Niederlande und nach Deutschland. Zweck der Forschung ist einerseits eine Einbandsammlung aus dem 16. Jahrhundert in ihrer Gesamtheit zu behandeln, wobei ihre Beziehungen zu anderen Sammlungen und die Widerspiegelung zeitgenös- sischer gesellschaftlicher Einflüsse im Einbanddekor beleuchtet werden, und andererseits diese Sammlung von einem kunsthistorischen Standpunkt aus zu erörtern. Bei den Einbänden handelt es sich um materielles Kultur- erbe, bei dessen Forschung ich mich eher auf ein empirisch-analytisches als auf ein philosophisch-theoretisches Verfahren stütze. In der modernen Einbandforschung werden die in der Kunstgeschichte bekannten traditio- nellen Bezeichnungen der Stilepochen benutzt, wie zum Beispiel Romanik, Gotik, Renaissance und andere. Deshalb habe ich die allgemein verbreiteten Bezeichnungen von Kunstströmungen auch in dieser Studie benutzt. Gleich-

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zeitig erleichtert die Anwendung traditioneller Begriffe die Orientierung in der Fülle der erforschten Materialien und ihren Motiven.

Meine Vorgangsweise ist es, die Bucheinbände unter drei Aspekten zu be- handeln: (1) Zunächst werden die Einbände als materielle und analytisch- empirische Gegenstände betrachtet, wobei kodikologische Grundsätze an- gewandt werden: Die Gegenstände werden dokumentiert, ihre materiellen Eigenschaften untersucht, angewandte Stoffe betrachtet, woraus sie bestehen, ihre Struktur wird festgestellt, ihr Status als Original oder als ein im Lau- fe der Zeit umgebundenes oder auf anderem Wege verändertes Buch wird festgestellt. Untersucht wird, welche Zeichen oder Kennzeichen sie tragen, wonach sie attribuiert werden können. Es wird versucht herauszufinden, wo ein Einband hergestellt wurde und falls möglich auch, von wem, sowie in wel- chen Beziehungen die Bucheinbände der Tallinner Sammlungen zu anderen Sammlungen stehen. (2) Der zweite wesentliche Blickwinkel ist ikonogra- fisch. Durch eine Interpretation des Dekors auf den Bucheinbänden wird darauf hingewiesen, dass die scheinbar kleinen Muster und die tief in das Leder eingeprägten Bilder, die meistens sogar übersehen werden, einerseits direkt mit damaligen gesellschaftlichen Ereignissen in Verbindung stehen und andererseits Spuren der damaligen besten Kunstschöpfung einschlie- ßen. Denn nicht nur Buchillustrationen, Holzschnitzereien und Kupferstiche stehen mit den Künstlern des 16. Jahrhunderts in Verbindung, sondern auch der wenig wahrgenommene und für unwichtig gehaltene Buchdeckeldekor schöpfte Ideen aus der gleichen Fundgrube. Es wird beleuchtet, wovon die auf den Einbänden benutzten Dekormotive und Themen erzählen und wie gesellschaftliche Entwicklungen und Denkmodelle die Auswahl der Motive und Themen beeinflusst haben. Anhand zeitgenössischer gesellschaftlicher und ideologischer Faktoren wie zum Beispiel politischer Ereignisse in Europa, der Habsburger-Dynastie, der Wiederentdeckung des antiken Erbes sowie der Reformation, werden diese interpretiert. Im Einbanddekor können Hinweise auf die Iconologia des Cesare Ripa und Ausdrücke aus dem diesem Werk vo- rausgehenden symbolischen Denken entnommen werden, ebenso wie Ein- flüsse von Vorgängern des Ripaschen Werkes, aber auch auf Werke damaliger Künstler. (3) Drittens betrachte ich den sozialen Kontext der Herstellung der Einbände. Wie und von wem wurden sie hergestellt, wer waren die Buchbinder und wie war ihr gesellschaftlicher Status und Hintergrund, welche menschli- chen und wirtschaftlichen Faktoren wirkten auf die Einbandproduktion ein.

Als Forschungsrichtung gelten die Verbindung eines breiteren Kontextes mit Details sowie die Anwendung der Vergleichsmethode. Zusammenfas-

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send werden die materiellen Eigenschaften des Buches betrachtet, wobei sie in unterschiedliche – in historische, soziale und kulturhistorische sowie kunsthistorische – Kontexte eingeordnet werden. Dem endgültigen Ziel aber geht eine weitläufige Kartierung des Ausgangsmaterials,der Bucheinbände, voraus , ein Sammeln und Vergleichen der auf ihnen vorhandenen Stempel- abdrücke nach ausgeprägter Vergleichsmethodik der Stempelabdrücke sowie die Feststellung der Mengen und Lokalisierung der Einbände.

1.2. Forschungsmethodik der Bucheinbände und Attribuierungsfragen

Methodik

Bei der Ausarbeitung der Forschungsmethodik der Bucheinbände sind heiße Diskussionen darüber geführt worden, wie ein Einband zu bewerten und zu bestimmen ist und ob es sich um einen Gegenstand aus dem Bereich des Kunstgewerbes, der Kunst oder sogar der Buchwissenschaft handelt. In den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts stellte Philipp Goldschmidt fest, dass über historische Einbände wesentlich weniger bekannt ist als über an- dere kunstgewerbliche Gegenstände. Damit wurde der Status der Einbände als Kunstgewerbe klassifiziert.1 Während es am Anfang des 20. Jahrhunderts über andere Gegenstände, wie Möbel, Keramik und anderes Kunstgewerbe, bereits Kataloge gab, waren noch keine Kataloge über Einbände vorhanden, abgesehen vom Werk von William Henry James Weale.2 Das Verhalten zu his- torischen Einbänden wurde aber bewusster und es entstand ein Bedürfnis, diese nach einem einheitlichen Kanon zu beschreiben.3 Zu den wesentlichen Bestimmungsmethoden zählt seit jener Zeit der Vergleich der im Einband- dekor eingeprägten Stempelabdrücke, die eine Datierung und Lokalisierung der Einbände ermöglichen. Zu diesem Zweck wurden von den Motiven und Bildern auf dem Einbanddeckel Graphit-Durchreibungen hergestellt. Eine solche mit Bleistift auf dünnes Papier übertragene Durchreibung ist wirklich- keitsgetreu, im Originalmaß und ermöglicht einen adäquaten Vergleich. Der Beschreibung liegt zunächst die Identifizierung des Werkzeuges zu Grunde, mit dem das Motiv in das Leder eingeprägt worden ist; danach werden die Motive in Gruppen eingeteilt (mit Einzel-, Rollen- oder Plattenstempeln

1 Goldschmidt 1928b, 3. Unter den Einbandforschern am Ende des 19. und Anfang des 20.

Jahrhunderts gab es mehrere Kunsthistoriker, deshalb wurden die Einbände eher vom künst- lerischen Aspekt heraus betrachtet.

2 Weale 1894-1898.

3 Die Einbandforschung hatte schon früher begonnen, die Ausarbeitung der Methodik der Einbandforschung machte aber erst ihre ersten Schritte.

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hergestellte Dekormotive, und dementsprechend Einzelstempel-, Rollen- stempel- oder Plattenstempeldurchreibungen). Im deutschen Sprachraum werden sie auch einfach nach dem Werkzeug genannt: Stempel, Rolle, Platte.

Die Durchreibungssammlungen bildeten eine Basis für Einbandkataloge.

Goldschmidt meint, dass die Datierung und Lokalisierung eines Einbandes nach Stempeln riskant sei, weil zum Beispiel die in der Werkstatt angewen- deten älteren Stempel auch auf zeitlich neueren Einbänden eingesetzt werden konnten. So brauchen die Stempel nicht unbedingt die Zugehörigkeit eines Einbandes in einen bestimmten Zeitraum zu beweisen. Darüber hinaus wan- derten die Stempel durch Vermittlung der Buchbinder selbst, aber auch durch Stempelschneider, Siegelschneider, Kupferstecher und andere Feinmetall- meister herum. Stempel wurden auf Jahrmärkten und zum Beispiel auch auf den Buchmessen in Frankfurt und Lyon verkauft, wo diese von Buchhändlern gekauft und nachher zusammen mit anderen Waren weiterverkauft wurden.

Ebenfalls stellten Kupferstecher von einem Stempel eine Reihe von Kopien her, die wiederum überall hin vermittelt wurden.4 Goldschmidt weist auch auf die Tatsache hin, dass mit ein und demselben Stempel bei unterschiedlichen Buchbindern und auf unterschiedlichen Lederarten jedes Mal eine andere Prägung möglich ist, wobei die Maße sich bis zu 20% unterscheiden können.5 Deswegen meint Goldschmidt, dass der Vergleich der Stempelabdrücke als Forschungsmethode fragwürdig sei. Aus diesem Grunde verhielt er sich auch recht kritisch zum damals erschienenen Katalog von Weale.6

Der kritische Aufsatz von Goldschmidt hob zwar Nachteile dieser Methode hervor, jedoch ohne etwas Überzeugendes als Ersatz anzubieten. Er gibt zu, dass bei Stempeln ihre Verwendung auf den Einbänden betrachtet werden muss, um zu entscheiden, ob es sich um die gleiche Handschrift handelt, oder – im Fall von vielen gleichartigen Stempeln – ob ein gemeinsamer Ursprung der Einbände naheliegt. Ungeachtet der Kritik von Goldschmidt entwickelte sich der Vergleich der Stempelabdrücke in den folgenden Jahrzehnten ge- waltig weiter. Weitere Entwicklungen zeigten, dass die Methode des Stem- pelvergleichs die Attribuierung der Einbände an einen Einbandmeister, eine Buchbinderei oder Region ermöglicht. Das hilft die Einbände zeitlich zu po- sitionieren und den Herstellungsort zu bestimmen. Eines der grundlegenden Werke ist das zweibändige Gesamtwerk von Konrad Haebler über Rollen- und Plattensptempel des 16. Jahrhunderts, das auf seiner Sammlung beruht.7

4 Goldschmidt 1928b, 10.

5 Ibid., 11.

6 Ibid., 12.

7 Haebler, Konrad. Rollen- und Plattenstempel des XVI. Jahrhunderts. Unter Mitwirkung von

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Konrad Haebler gilt als einer der Begründer der Einbandforschung. Haebler war ein Buchwissenschaftler, der sich hauptsächlich mit Inkunabeln und der Typographie auseinandersetzte. Ab 1921 widmete er sich der Forschung historischer Einbände.

Heutzutage gibt es die Möglichkeit, beim Stempelvergleich sowohl elektro- nische als auch publizierte Kataloge zu benutzen. Eine riesige webbasierte Datenbank ist die Einbanddatenbank, die vor allem deutsche digitalisierte Durchreibungen von Bucheinbänden des 15. und 16. Jahrhunderts bein- haltet.8 Der Zweck des Projektes, das im Jahre 2001 eingeleitet wurde, ist den Einbandforschern und Interessenten die Informationen zugänglich zu machen, die sich während der Jahrzehnte in Mappen und Papierkatalogen gesammelt haben. Diese Datenbank umfasst sieben Kollektionen. Die erste, die Sammlung Kyriss, wurde in den Jahren 1929-1973 fertiggestellt und besteht aus 357 Mappen, die ca. 20 000-25 000 Blätter beinhalten. Auf jedem Blatt gibt es mehrere Durchreibungen. Ernst Kyriss besuchte in fast 50 Städten ca. 90 Bibliotheken und Archive, um dort Bucheinbände zu kartieren und Durchreibungen anzufertigen. Seine Sammlung basiert vorwiegend auf dem Material aus Süddeutschland, Österreich und der Schweiz. Darüber hinaus gibt es in dieser Sammlung auch Durchreibungen aus Archiven in Berlin, Bremen, Fulda, Halle, Hamburg, Hannover, Köln, Leipzig, Merseburg, Ros- tock, Wolfenbüttel sowie Krakau, Olmütz und Prag. Dank dem bemerkens- wert umfangreichen Material war es möglich, adäquater festzustellen, welche Stempel in welchen Buchbindereien benutzt wurden. In seiner vierbändigen Publikation präsentiert Kyriss 186 Buchbindereien und ihre Stempel, zu denen 7088 Durchreibungen gesammelt wurden.9 In seiner Publikation behandelt er nur 1711 Einzel- und Rollenstempel, obwohl Informationen zu mehr als 2000 Buchbindereien gesammelt worden waren. Ungeachtet dessen hat er einen riesigen Beitrag zur Forschung spätmittelalterlicher Bucheinbände geleistet. Die Sammlung Wolfenbüttel bezieht sich hauptsächlich auf Infor- mationen über norddeutsche Bucheinbände. Sie beinhaltet Durchreibungen von ca. 4800 Einzelstempeln und 2250 vollständigen Einbanddeckeln. Fer- dinand Geldner,10 der Gründer der Sammlung München, hat insgesamt über 7600 Durchreibungen gesammelt. Die Sammlung Schunke besteht aus 13 400

Ilse Schunke. Bd. 1.2. Leipzig 1928–29 (Sammlung bibliothekswissenschaftlicher Arbeiten; 41).

8 Einbanddatenbank. Digitalisierung der Durchreibungen von Bucheinbänden des 15. und 16. Jahrhunderts.

9 Kyriss 1951-1958.

10 Siehe die Publikationen von Ferdinand Geldner zum Thema: Geldner 1953; Geldner 1958;

Geldner 1964; Geldner 1968-1970; Geldner 1978.

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Durchreibungen, die nach dem regionalen Prinzip systematisiert wurden. Es gibt in der Sammlung Durchreibungen auch außerhalb von Deutschland. Die Sammlung enthält Rollen- und Plattenabdrücke der Bucheinbände hauptsäch- lich aus der Renaissance. Die Sammlung Schwenke ist eine der wichtigsten Quellen spätgotischer deutscher Bucheinbände. Ilse Schunke und Konrad von Rabenau haben dieses Material vor der Digitalisierung durchgearbeitet und in zwei Bänden publiziert.11 Paul Schwenke begann Ende des 19. Jahr- hunderts Durchreibungen zu sammeln und seine Sammlung beinhaltet ca.

7500 Durchreibungen, vorwiegend von Einzelstempeln. Da Schwenke mit der Sammlung schon vor dem ersten Weltkrieg begann, gibt es dort viele Informationen über Bucheinbände, die sich bis heute nicht mehr erhalten haben und über die heute nur noch elektronische Information erhältlich ist. Die Sammlung Darmstadt beinhaltet etwa 10 000 Durchreibungen von spätgotischen Einbänden und die Sammlung Floerke 1000 Durchreibungen von mecklenburgischen Bucheinbänden.

Neben der Methode des Stempelvergleichs wird in der Einbandforschung heutzutage auch die für Handschriften ausgearbeitete Kodikologie angewandt.

In der Kodikologie wird die Handschrift als Ganzes beschrieben, sowohl ihr materieller Teil als auch ihr historischer Kontext. Die Beschreibung hand- schriftlicher Einbände bildet einen Teil der Kodikologie. In der Einband- forschung stützt man sich auf diesen Teil wie auch auf andere Grundsätze der Kodikologie, wobei im Auge behalten wird, dass das Buch zusammen mit seinem Inhalt, seiner Form und Geschichte eine Gesamtheit bildet.12 In der Einbandforschung wird der Materialität des Gegenstandes viel Aufmerk- samkeit gewidmet, es wird als ein Ganzes in Betracht gezogen. Es kommt häufig vor, dass ein Originaleinband seine Existenz verloren hat, dass sich zum Beispiel nur die Deckel erhalten haben, in die der Buchblock eines anderen Buches gekommen ist.13 In dem Fall geht die ursprüngliche Gesamtheit des Buches verloren; ähnlich kann es auch bei einer misslungenen Restaurierung passieren. Ein Buch kann auch im Laufe der Jahrhunderte neu eingebunden worden sein, wobei der alte Einband durch einen neuen ersetzt worden ist. So konnten zum Beispiel mittelalterliche, in kleine Hefte zwischen Pergament- hüllen gebundene Handschriften im 15.-16. Jahrhundert zu mehreren auf einmal in einen mit Holzdeckeln versehenen Ledereinband neu eingebun- den werden.14 Ein Buch kann auch mehrere solche „Erneuerungen“ überlebt

11 Die Schwenke-Sammlung 1979; Die Schwenke-Sammlung 1996.

12 Siehe Löffler 1997.

13 Siehe in dieser Arbeit Seite 144_145.

14 Härtel 2010, 214.

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haben.15 Wie soll das Buch in diesen Fällen beschrieben werden? Soll das Buch in dem Fall als „ein neues Objekt“ wahrgenommen werden? Hat in der Existenz des Buches damit ein neues Kapitel als ein neues Objekt begonnen?

Auf diese Fragen versuche ich eine Antwort zu finden.

Ilse Schunke hat in ihrem im Jahre 1974 erschienenen Werk Einbandbestim- mung den Zweck des Einbandes neben der praktischen Rolle, das Buch zu- sammen zu halten und das Innere zu schützen, auch in einer ästhetischen Rol- le gesehen,diese hält Schunke für den geistigen Faktor des Einbandes.16 Im gleichen Werk interpretiert Schunke auch ausführlicher die Grundsätze der Einbandbestimmung und führt konkrete Beispiele an, wie zu beschreiben ist und was zu berücksichtigen wäre. Mehrere ihrer Standpunkte stehen sowohl der Kodikologie als auch dem nahe, was heute in der Einbandforschung zum Einsatz kommt.

Attribuierung

Bei der Bestimmung bzw. Attribuierung eines Einbandes entsteht eine Reihe von Fragen: Von wem, wo und wann er gefertigt wurde, wem er gehört hat, welche Stoffe und Techniken benutzt wurden usw. Es ist sehr kompliziert, die lokale Produktion von der ausländischen zu unterscheiden, weil in der glei- chen Zeitspanne gleiche Motive und Themen im Umlauf waren, denen gleiche Modellmappen oder -bücher als Vorbild dienten; es wurden gleiche Werkzeuge benutzt, die verbreitet – gekauft, verkauft, vererbt – wurden; die Meisteraus- bildung ist ähnlich verlaufen, Gesellen eigneten sich auf ihren Wanderjahren im Ausland Kenntnisse an, die sie dann nachher in ihrer Heimat umsetzten.

Das alles förderte die Kenntnis und die Pflege einer einheitlichen Gewerbet- radition. Deswegen sehen die Bucheinbände in Estland, Deutschland und zum Beispiel in den Niederlanden ziemlich ähnlich aus, und dies nicht nur wegen der Zugehörigkeit zum deutschen Kulturraum. Bucheinbände haben zwar regionale Eigenarten, aber Einbände mit Dekor in Blinddrucktechnik haben dank der einheitlichen technischen Handhabungen sehr große Ähnlichkeit.

Johannes Hoffmann, Direktor der Leipziger Stadtbibliothek und einer der führenden Initiatoren der Einbandforschung und der Vision der Einband- kataloge, verfasste im Jahre 1927 einen Katalog der wertvollsten deutschen Bucheinbände, in dem er den Bibliotheken Leitfäden zur Verfassung der

15 Rechnungsbuch. 1603–1687. TLA.

16 Schunke 1974, 5.

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Einbandkataloge erteilte.17 In seinem im gleichen Jahr publizierten Aufsatz sagt Hoffmann, dass die Einbandforschung verschiedene Bereiche der Kultur- und Kunstgeschichte sowie die Forschung der Handschriften und Inkunabeln mit wesentlichen Informationen versorgt und ergänzt. Er führt ein Schema an, wie die Einbände beschrieben werden sollten. Dieses Schema soll folgende Daten über eine Handschrift oder ein gedrucktes Buch enthalten: Autor, Ti- tel, Druckangaben und -jahr; danach weitere Angaben über den Einband, wie Einbandmaße, Kurzbeschreibung des Einbandes mit Durchreibungen von den Stempelabdrücken, Name des Buchbinders, Ort und Zeit der Herstellung und Erstbesitzer des Bucheinbandes. In seiner im Jahre 1940 erschienenen Publika- tion über wertvollste Bucheinbände der Stadtbibliothek Leipzig gibt es schon be- deutend umfassendere und zugleich detailliertere Richtlinien, in Form eines in Paragraphen aufgeteilten Reglements notiert.18 Nach diesem soll bei der Bestim- mung/Attribuierung der Einbände neben dem oben Erwähnten noch Folgendes berücksichtigt werden: Kurzbeschreibung des Einbandes bezüglich Vorder- und Rückdeckel, inklusive Angaben über Deckelstoff (z.B. Holz, Pappe), Bezugsstoff des Deckels (Leder, Textil o.ä.), Stoff des Vorsatzblattes, Dekortechnik (Blind- druck, Lederschnitt o.ä.), Dekorabbildungen (nach welchen graphischen Model- len), Supralibros, Namen, Mottos, Monogramme und Initialen; Einbandränder und -kanten (profiliert, mit Dekor oder ohne), Buchrückenbeschreibung von oben nach unten, Zahl der Bünde, Dekor; Schnitt (mit Farbe, Ornament oder ohne), Kaptal (Stoff und Flechtart); bei einem Buchblock die Lagenanzahl und ob mit Papier oder Pergament verstärkt. Zu einer vollständigen Beschreibung gehören Durchreibungen, die in Mappen und Schachteln systematisiert sein müssen, und ein alphabetisches Stichwortregister. Hofmann hat auch eine Reihe von Fachabkürzungen ausgearbeitet, die er in seiner Publikation anführt.19 Er hat die Beschreibung des historischen Einbandes in Perioden eingeteilt, zum Beispiel bei Bucheinbänden der Renaissance soll Folgendes erwähnt werden:

das Monogramm, die Initialen oder der Name des Stempelstechers und/oder des Buchbinders; die Jahreszahl auf Stempeln oder separat im Dekor oder auch auf dem Schnitt; die Initialen, Exlibris und Monogramme des Erstbesitzers auf dem Einbanddeckel oder Innendeckel; Angaben über den Schnitt (bemalt, ornamentiert, getönt oder nicht), Schließen oder Bänder, Kaptal.20

Philipp Goldschmidt meint, dass Hofmanns Leitfäden zwar gut sind, aber dass Einbände wegen geringer Kenntnisse in diesem Bereich oft falsch

17 Hofmann 1927, 138-141.

18 Hofmann 1940.

19 Ibid., 13-14.

20 Ibid., 13.

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bestimmt werden. Zum Beispiel ist der Ort des Buchdruckens nicht auto- matisch der Ort des Bucheinbindens; in diesem Zusammenhang sollten die Handelsgeschichte und Handelswege in Betracht gezogen werden und es sollte berücksichtigt werden, dass die Buchbinder eher in Universitäts- städten und Buchdrucker in Handelszentren ansässig waren. Er empfiehlt bei der Einbandbestimmung in die Geschichte zu schauen und meint, dass die Erfassung der allerwichtigsten Informationen über einen Einband durch die Identifizierung des Erstbesitzers erfolgen kann, weil dieser die Bestel- lung aufgegeben und über das Aussehen des Einbandes entschieden hat.21 Diesem Standpunkt von Goldschmidt kann zugestimmt werden, es ist aber wichtig anzumerken, dass der Einband für ein Buch nicht immer bestellt wurde, sondern dass manchmal auch fertige Bücher gekauft wurden, und der Besitzername wurde erst nach dem Erwerb des Buches eingetragen.22 Bei der Attribuierung sind wichtige Stichwörter post quem und ante quem: Das Erste bezieht sich nur auf die Information über das Druckdatum und das Zweite auf die Lebensdaten des Erstbesitzers.23 Andererseits wurden Bücher oft lagenweise verkauft und gekauft und erst dort eingebunden, wo sie benutzt wurden. Goldschmidt glaubt, dass man erst dann, wenn es nicht möglich ist, sich auf konkrete Archivquellen oder auf anderes historisches Material zu stützen, nach einbandtechnischen und dekorbezogenen Stilkennzei- chen sowie zum Vergleich der Stempelabdrücke greifen soll.24 Deshalb sind Wappen, Jahreszahlen, Namen und handschriftliche Eintragungen auf dem Bucheinband von Bedeutung. Gleichermaßen wichtig sind die im Einband- dekor vorhandenen Stempelabdrücke, die sowohl auf den Buchbinder, das Jahr als auch den Ort hinweisen können. Auf einigen Bucheinbänden sind zum Beispiel Stadtwappen oder andere Hinweise auf Ort, Zeit, Meister und/

oder Besitzer vorhanden.25 Die Attribuierung wird durch umgebundene und öfters auch restaurierte Bucheinbände erschwert. Die Reparierung, Konser- vierung und Restaurierung der Einbände ist ein sehr sensibles Thema; ein Fachmann soll bei der Konservierung eines Gegenstandes von Grundsätzen der Ethik ausgehen und nicht nur ausgezeichnete technische Arbeitsmetho- den beherrschen, sondern auch die Geschichte des Gegenstandes kennen, um zu vermeiden, dass der Gegenstand und seine Geschichte zerstört statt bewahrt wird. Goldschmidt sagt, wenn ein Einband kaputt ist, sollte er in eine mit weichem Textil gefütterte Pappkiste gelegt werden, „[…] nie aber

21 Goldschmidt 1928b.

22 Siehe die Einbandgruppe von Urban Dene.

23 Goldschmidt 1928b, 10; Helwig 1953, 14.

24 Goldschmidt 1928b, 10.

25 Siehe in dieser Arbeit Einbände von Antwerpen, Seite 89.

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darf er geflickt, neu bezogen, mit einem neuen Rücken versehen, oder sonst irgendwie barbarisch behandelt werden […]“.26

1.3. Die Materialität – Bucheinbände als materieller Nachlass

Die Geschichte und die Forschung des Bucheinbandes sind meistens im Rahmen der Buch- und Bilbliotheksgeschichte als engere und spezifische hilfswissen- schaftliche Gattungen dieser Bereiche aufgefasst worden. Die Bucheinbän- de sollten jedoch breiter – als Teil des materiellen Kulturnachlasses und des Kunstgewerbes – in Betracht gezogen werden. Die Mehrdimensionalität eines Buches drückt sich auch mehrfach aus: Durch seinen schriftlichen Inhalt hat das Buch die Rolle eines Ideenvermittlers zu tragen, wobei es gleichzeitig durch seine materiellen Eigenschaften in die materielle Welt gehört. Als materieller Gegenstand hat jedes Buch seine Geschichte und erfüllt eine bestimmte Rolle an einem Ort bzw. in jemandes Besitz; das Buch hat einen Autor, Gestalter und andere Menschen, die seine physische Entstehung veranlasst haben. Die Bücher stellen sowohl Unterhaltung, Wissenschaft, Studium, Zierstück, Ehrensache als auch Holz, Leder, Papier, Tinte, Farbe und Druckfarbe, Klebstoff, Textil, Pergament und vieles mehr dar. Als ein Ideenvermittler und ein aus Materie bestehendes Objekt erfüllt das Buch neben dem Zweck des geistigen und ma- teriellen Nachlasses auch einen visuellen Zweck, und dies dank seines äußeren Wesens. Bei einem Buch ist nicht nur sein schriftlicher Inhalt, sondern auch sein Aussehen von Bedeutung.

Neben der Buchgeschichte behandelt diese Arbeit auch die in den letzten Jahrzehnten hervorgetretene Richtung der Forschung von Gegenständen.

Nach neueren Trends der Forschung der materiellen Kultur betrachtet man Gegenstände als Beeinflusser von zwischenmenschlichen Beziehungen. Die Gegenstände wurden wie Lebewesen erforscht, in dem ihre „Lebensläufe“ oder Bewegungswege behandelt werden. Von diversen Gesichtspunkten ausgehende Forschungen haben eine sogenannte „materielle Wende“ vorbereitet, in der die Gegenstände in der Kunstgeschichte in den Mittelpunkt gestellt worden sind.27

Das zu erforschende Material gibt Informationen darüber, welchen Einbän- den Vorzug gegeben wurde, d.h. welche Form, welcher Dekor und (bei einem

26 Goldschmidt 1928b, 9.

27 Hauptwerk, den die Kunsthistoriker benutzt haben, ist Appadurai 1986; Siehe auch Hahn und

Weiss 2013; Laitinen, Mäkikalli, 2010; Siehe auch Immonen, Räsänen, 2012, 35–53.

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gedruckten Buch) welcher Inhalt bevorzugt wurde. Wenn mitteleuropäische Aristokraten es bevorzugt haben, in italienisch-französischem Stil verzier- te Bucheinbände mit goldenem Dekor für ihre Bibliotheken zu bestellen, dann ist in der Sammlung des Tallinner Stadtarchivs kein einziger solcher Einband aus dem 16. Jahrhundert erhalten. Man könnte zwar glauben, dass solche luxuriösen Einbände viel zu teuer waren oder dass es in Tallinn keine Meister gab, die imstande gewesen wären, solche Einbände anzufertigen. In früheren Forschungen wurde gemeint, dass im 16. Jahrhundert in Tallinn diese Einbandart unbekannt war. Diese Behauptungen müssen widerlegt werden, weil es in Tallinn wohl ausreichend reiche Bürger gab, die sich neben anderen Kostbarkeiten auch wundervolle in Marocain eingebundene Bücher hätten leisten können. Auch die Buchbinder verbrachten ihre Wanderjahre meistens in deutschen Städten, wo im 16. Jahrhundert beide Einbandarten – mit vergoldetem Dekor und im Blinddruck – bekannt waren. Davon zeugt auch das Inventarium eines Tallinner Buchhändlers und Buchbinders, in dem einundvierzig Einbände mit Golddekor aufgelistet sind.28 Das weist darauf hin, dass in Tallinn die Einbandart des italienisch-französischen Stils gut bekannt war und dass die Bürger solche Bücher auch bestellten.29

Anhand des zu erforschenden Materials wird versucht, Licht auf die Bezie- hungen zwischen Menschen und Gegenständen zu werfen. In der zeitge- nössischen Forschung der materiellen Kultur werden Gegenstände immer mehr als Teil der Geschichtsforschung verstanden; die Gegenstände können als Geschichtsquellen behandelt werden, die über die Vergangenheit be- richten.30 Die Gegenstände sind sowohl Forschungsobjekte an sich als auch Forschungsquellen. Die Gegenstände vermitteln Informationen über soziale Verbindungen, zum Beispiel können die auf dem Einbanddeckel oder in hand- schriftlichen Eintragungen vorhandenen Namen uns darüber informieren, welche Personen mit dem Buch in Verbindung zu bringen sind und in welchen Verwandtschafts- oder anderen Beziehungen sie miteinander standen.31 Das

28 David Grund 1597. TLA.

29 Siehe hier Anlage 3.

30 Siehe Mäkikalli 2010, 18.

31 Ich habe einen Bucheinband an Kaspar Meuser, an einen bekannten deutschen Buchbinder

des 16. Jahrhunderts attribuiert. Das Buch befindet sich heute in der finnischen Nationalbi- bliothek. Die Beziehungen zwischen den Höfen, politische Situationen, u.a. Kriege und vor allem der II. Weltkrieg, haben Bücher einer ehemaligen Sammlung in Gedächtniseinrich- tungen verschiedener Länder verstreut. Im Jahre 1829 hat die Akademie der Wissenschaften zu St. Petersburg anlässlich der Gründung der Bibliothek der Universität Helsinki eine große Schenkung gemacht, deren Bestandteil auch das obenerwähnte Buch war. Davor gehörte das Buch der Bibliothek kurländischer Herzoge, und ursprünglich stammt es aus der sächsischen Hofbibliothek des 16. Jahrhunderts in Dresden. Siehe Rebane 2010; Rebane 2011.

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Buch war ein sehr teurer Gegenstand und deshalb auch wertvoll als Geschenk oder Spende. Im Mittelalter und in der Frühneuzeit spielte das Geschenk eine wichtige Rolle in der Kommunikation und oft gehörte das gegenseitige Beschenken zu einem höflichen Umgang untereinander.32 Der kommunikative Aspekt eines Geschenks oder einer Spende kann sowohl den Eigentümer als auch den Kontext der Beschenkung charakterisieren. Zum Beispiel mussten die für eine öffentliche Bibliothek gespendeten Bücher nicht unbedingt neu sein, sondern sie wurden der eigenen privaten Bibliothek entnommen. Der Anlass für Geschenke und Spenden war unterschiedlich – einer davon war bestimmt Dankbarkeit. Menschen, die bemerkenswerten Erfolg und gutes Glück gehabt hatten, machten als Gegenleistung Geschenke. Urban Dene, ein Tallinner Münzenmeister des 16. Jahrhunderts, war sehr erfolgreich auf seinem Gebiet, und als er auf dem Gipfel seiner Karriere war, schenkte er der Bibliothek der Tallinner Olaikirche Bücher.33 Gegenstände funktionieren auch als Symbole der Identität. Zweifellos war die Bibliothek eines Aristo- kraten mit ihren herrlichen Einbänden eine Widerspiegelung seiner intel- lektuellen Interessen und seiner Identität. Gegenstände vermitteln nicht nur Kulturbedeutungen, sondern sie haben selbst eine Bedeutung, die die Kultur beeinflussen. Die scheinbar passive Rolle eines Gegenstandes in der Gesellschaft ist in der Wirklichkeit oft eher die Rolle des Beeinflussers.34 Das Buch ist ein mächtiges Medium, das im 16. Jahrhundert Ideen der Humanis- ten und von Martin Luther sowie gesellschaftliche und politische Gedanken der Herrscher vermittelte. Ein ästhetisch wunderschöner Gegenstand kann Geschmacksvorlieben beeinflussen, zum Beispiel ließ der ungarische König Matthias Corvina die Bücher seiner Bibliothek nach dem Vorbild italienischer luxuriöser Einbände binden. Aber ungeachtet dessen, welche Botschaften ein Buch vermitteln oder welche Gefühle es wecken kann, ist das Buch an sich unter anderem auch ein lebloser und passiver Gegenstand im Bücherregal.

Da materielle Gegenstände ein Aussehen haben, vertreten sie auch die visuelle Kultur. In der vorliegenden Arbeit werden Einbände behandelt, die als unikale Einbände bezeichnet werden können, denn kein historischer Einband stimmt mit einem anderen genau überein, da er unabhängig von anderen fertiggestellt wurde. Jeder Buchbinder hat seine Einbände selbst gestaltet, wobei er nach seinem eigenen Geschmack und Willen die Stempel für ihre Gestaltung bestellt hat. Ein jeder historischer Einband hat sein privates Gesicht.

32 Lahtinen 2010.

33 Siehe hier die Einbandgruppe von Urban Dene.

34 Mäkikalli 2010, 12-13.

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Die Forschung des materiellen Kulturnachlasses ist zum großen Teil auch mit Interpretierungsfragen verbunden. Bei einem fragmentär erhaltenen Einband können mehrere Interpretationen bezüglich seines Zustandes und seiner Ab- stammung in Frage kommen. Das materielle Wesen der Gegenstände muss innerhalb von Zeit und Raum berücksichtigt werden, genauso die Tatsache, dass das sich verändernde Umfeld auch Gegenstände verändert. Ein Einband steht mit Kunst und Gewerbe in Verbindung und beteiligt sich an Änderungen der geistigen und materiellen Kultur. Mit der Zeit ändert sich auch der Wert des Gegenstände: Bucheinbände, denen früher kaum Aufmerksamkeit geschenkt wurde, sind Raritäten geworden; viele europäische Einbände sind auf Auktionen in den USA zu kolossalen Preisen verkauft worden. Zur Mitte des 20. Jahrhun- derts waren zum Beispiel die Preise europäischer unikaler Einbände sehr stark gestiegen und die zu den Raritäten gehörenden Bucheinbände des 16. Jahrhun- derts wie die von Grolier, Maioli und Medici kosteten 4300-23 000 Dollar.35

1.4. Eine Abbildung – Ikonografie der Themen des Einbanddekors

Michael Yonan behauptet, dass die Materialität eine namenlose und versteckte Dimension der kunsthistorischen Forschung gewesen sei und schlägt vor, dass die Ergebnisse der Kunstgeschichte in der Analyse des sozialen Kontextes der Gegenstände eine größere Rolle spielen könnten.36 Die heutige Kunst- geschichte konzentriert sich viel zu sehr auf die Abbildung; Yonan weist hier auf die Ideenwelt von Platon hin und ruft auf, statt dessen eher den Ideen von Aristoteles zu folgen, nach denen Materie und Form primär sind. Ebenfalls sagt er, dass die Kunstgeschichte fortwährend visuelle Aspekte den materi- ellen vorgezogen hat und dass die Kunstgeschichte in der Wirklichkeit nicht eine Wissenschaft über die Abbildungen, sondern über Gegenstände sei, die Träger der Abbildungen sind.37 Die vorliegende Forschung ist ein Versuch beide Aspekte zu verbinden: Einbände, die selbst Gegenstände materieller Kultur sind, tragen die visuelle Seite – Abbildungen – in sich.

Jules David Prown hat die materielle Kultur in sechs Kategorien eingeteilt, wobei Bücher zusammen mit Spielzeug, Spielen und Theatervorstellungen in die Unterhaltungskategorie gehören.38 Prown behandelt die Bücher unter einem eher allgemeinen Aspekt, nach dem das Buch ein Ideenvermittler und

35 Helwig 1953, 11.

36 Yonan 2011, 1.

37 Ibid., 4.

38 Prown 1982, 3.

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Vertreter des unterhalterischen Aspektes ist; dabei wird die förmliche und materielle Seite des Buches nicht betrachtet. Nach seiner physischen Fer- tigstellung ist das Buch eng mit dem Bereich des Kunstgewerbes verbunden, und dies besonders während der Periode unikaler Einbände. Das Buch des 16. Jahrhunderts trug wesentlich mehr in sich als nur die Gedankenvermitt- lung des Autors. Das Buchäußere hatte oft seine eigene Botschaft zu tragen, um durch seinen Dekor den Buchbesitzer über Gedanken der Reformation, des Humanismus oder der Machtträger zu informieren. Hier gibt es einen Berührungspunkt zwischen der Unterhaltung und dem Kunstgewerbe, wo das Buch beide vertreten kann.

Die Einbände wurden auch als Kunstgegenstände behandelt. Einen der ersten Versuche, Einbände als Kunstgegenstände unter Anwendung kunstwissen- schaftlicher Methoden zu behandeln, stellen die Dissertation und schrift- lichen Beiträge von Wolfgang Günther Fischer dar. Für eine Schwäche der erwähnten Dissertation wird das Fehlen eines breiteren kunsthistorischen und sozialen Kontextes gehalten. Fischer beobachtete die Einbände eher in einem künstlerischen Diskurs, die Gegenstände von ihrem Kontext ablösend. Aber ungeachtet der Kritik beginnt mit der Dissertationsarbeit von Fischer in der Einbandforschung ein neues Zeitalter, und sie ist die erste im Bereich der Ein- bandgeschichte verteidigte Dissertation.39 Fischer benutzt in der Einbandfor- schung zum ersten Mal die stilkritische Methode der Formgeschichte. In der Analyse des Einbanddekors geht er von dem Begriffspaar der Stilkategorien linear-malerisch des bekannten Kunstwissenschaftlers Heinrich Wölfflin aus und stützt sich auf die Geschichte der Ornamentik von Alois Riegl.40 In seiner Dissertationsarbeit zieht Fischer italienische und französische Renaissance- einbände in Betracht, wobei er deren Dekormotive äußerst präzise behandelt und zum ersten Mal in der Einbandforschung kunstwissenschaftliche und theoretische Behandlungen und Fachausdrücke einsetzt. Der Zweck der Dis- sertation von Fischer ist, die Entwicklungsgeschichte des Einbanddekorstils zu demonstrieren, deshalb behandelt er die im Dekor vorhandenen Motive sehr detailliert und greift dabei auf die Formgeschichte zurück. Da der Dekor der Einbände im italienisch-französischen Stil41 vor allem aus Pflanzenor- namenten besteht, die wir heute unter dem Begriff Arabeske oder Moreske kennen, erklärt Fischer in seiner Dissertation zum ersten Mal die Bedeutung der Arabeske und benutzt dort auch diesen Terminus. Durch die Kunsttermini

39 Fischer 1935.

40 Siehe Wölfflin 1915; Riegl 1893.

41 Italienisch-französischer Einband, siehe hier Seite 52.

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begrenzte und unbegrenzte Fläche bringt Fischer eine neue Betrachtungsweise in die Einbandforschung. Unter der begrenzten Fläche versteht Fischer einen solchen Einbanddekor, der zergliederte Flächen und im Mittelpunkt ein Motiv hat, unter unbegrenzten Flächen sind aber mit Arabeskenmuster bedeckte Einbanddeckel zu verstehen. Fischer behandelt die Einbände von Grolier42 nach Wölfflins Stilkategorien linear-malerisch und findet, dass die Einbände von Grolier mit ihren sich aus Linien bildenden Motiven unter die lineare Kategorie gehören. Zum anderen Teil des Paares der Stilkategorien – male- risch – gelangt Fischer in Verbindung mit der Farbigkeit der Einbanddeckel.

Bei Einbänden von Grolier kann man von beiden Kategorien ausgehen, und Fischer kommt am Ende zu dem Standpunkt, dass sich in diesen Einbänden das Malerische harmonisch mit dem Linearen vereinigt. Bekannt ist Fischers Schrift „Stilanalysen am Einband“, in der er das Abwechseln des Linearen und des Malerischen an den Einbänden von Grolier behandelt. Da bei diesen vielen Farben und Intarsientechnik angewandt wurde, schlägt Fischer nach Wölfflins Vorbild den neuen Terminus Farbflächenstil vor.43 Fischer sieht eine gegenseitige Symbiose und eine Verschmelzung der Lederfarben und des im Dekor benutzten Goldes auf dem Einbanddeckel und beschreibt diese als gebrochene Töne, die in der Malerei des 16. Jahrhunderts in Mode waren.

Fischer vergleicht hier die Einbandkunst mit anderen großen Künsten wie die Malerei, und stellt Einbände auf eine höhere Position als Kunstgewerbe.

Ebenso nennt er Einbandforscher Einbandhistoriker und bekannte Buchbin- der am Dresdener Hof des 16. Jahrhunderts Jakob Krause und Kaspar Meuser Künstler. Mit Fischers schriftlichen Beiträgen begann in der Forschung des äs- thetischen Aspekts der Einbände die Anwendung der stilkritischen Methode.

In seiner Dissertation lässt Fischer auch andere Stilkategorien von Heinrich Wölfflin nicht außer Acht; er stimmt den Standpunkten von Wölfflin zu, dass in jeder Stilperiode schon die für die nächste Periode eigenen Keime enthalten sind und dass sich in der Kunst ungeachtet eines einheitlichen europäischen Kunststils nationale Eigenarten unterscheiden lassen. Die Forschungen von

42 Grolier – Jean Grolier de Servières, vicomte d’Aguisy (1489/1490-1565) und hoher fran-

zösischer Staatsbeamter. Grolier war auch als Bibliophile bekannt, der eine bemerkenswerte private Büchersammlung hatte, deren Bücher er in einem luxuriösen Stil mit vergoldetem Dekor hatte einbinden lassen. Er war ebenso Unterstützer der Werkstatt von Aldus Manutius.

Die Einbände von Grolier sind Vorbild für Buchbinder mehrerer Generationen gewesen. Die Einbände können je nach dem Dekor in unterschiedliche Gruppen eingeteilt werden. Die wichtigsten Kennzeichen für Groliers Einbände sind leichte Pappdeckel, gefärbter Marocain, Anwendung von Golde sowie orientalischer Motive wie Moresken und anderes mehr. Wichtig ist auch Groliers Leitspruch bzw. Superexlibris auf seinen Einbänden: Io. Grolieri et Amico- rum. Siehe Andrews 1892.

43 Fischer 1937.

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Wolfgang Günther Fischer unterscheiden sich durch ihre ausführliche und exakte Behandlung ganz eindeutig von den Arbeiten seiner Vorgänger. Die Einmaligkeit seiner Forschungen besteht darin, dass er rein von der Kunst- theorie ausgeht und Einbände als Kunstgegenstände behandelt.

Die Interpretation des Einbanddekors des 16. Jahrhunderts steht mit dem historischen Kontext im Zusammenhang, es ist wichtig zu begreifen, wie der damalige Mensch Bilder im Buch oder auf dem Buchdeckel wahrgenommen hat, welchen kultur- und ideengeschichtlichen Hintergrund er hatte und wie die Bilder auf das Buch kamen. Der Themenkreis auf frühneuzeitlichen Ein- bänden ist ziemlich eng: Szenen aus der Bibel nach einem bestimmten Kanon, ergänzt mit erläuternden Kurztexten, Abbildungen weltlicher Machtträger mit Heraldik und Mottos, ornamentale Motive und allegorische Figuren und Personifikationen der Erscheinungen. Die humanistische Weltanschauung hat nach dem Vorbild der Antike eine Visualisierung von Erscheinungen, menschlichen Eigenschaften und anderem Unsichtbaren in der Menschen- form mit sich gebracht. Die Tendenz spätmittelalterlicher Einbände zum ornamentalen Dekor wurde in der Frühneuzeit durch einen humanistischen Anstoß in Richtung des Figuralen abgelöst; der humanistische Gedanke, der Mensch sei das Maß aller Dinge, fand seine Widerspiegelung auch im Ein- banddekor, und die sich an den Menschen orientierende Denkweise schuf den figuralen Dekor. Wegweiser dafür waren bekannte Emblemsammlungen des 16. Jahrhunderts44 und das am Ende des Jahrhunderts, im Jahre 1593 erschienene Werk Iconologia von Cesare Ripa.45 Das Werk von Ripa enthält eine große Anzahl von Beschreibungen figuraler Personifikationen von der Antike an, die Texte sind in den Jahren 1580-1600 verfasst und fassen sym- bolistische Gedanken der frühneuzeitlichen Kultur zusammen. Es hat meh- rere Einflüsse und Vorbilder für Ripas Werk gegeben; von Bedeutung waren Gedankenschulen vor der systematischen Erkenntnis des Rationalismus und philosophische Kategorien des Aristoteles.46 Thomas Leinkauf sagt, dass das Werk Ripas sich zum großen Teil auf die Sprachlehre des Aristoteles grün- det, ihrer Sprachstruktur und Sprachlogik folgt, und dass Ripas eikon der visualisierte sprachliche Ausdruck sei.47 Eines der Vorbilder war für Ripa die damalige Studienform der Jesuiten, nach der die Poesie und Geschichte durch

44 Siehe Alciati 1531.

45 Siehe Ripa 1593.

46 Leinkauf 2011, 24.

47 Ibid., 39; Das Wort eikon stammt aus dem Griechischen und bedeutet Bild oder bildliche

Lehre, in der die Lehre anhand der Bilder einer bestimmten Art erfolgt. Siehe Ibid., 27.

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Bildinterpretation gelernt und gelehrt wurden.48 Auch die ägyptische Hiero- glyphik, die damals als Geheimsprache galt, war für ihn ein großes Vorbild.49 Die Iconologia ist ein sehr vielseitiges und reichhaltiges Werk, das sich nicht darauf beschränkt, Begriffe in alphabetischer Reihenfolge zu definieren, sondern die tief symbolistische und vielseitige Erkenntnis der damaligen Gesellschaft wiedergibt. Das Werk von Ripa ist alphabetisch systematisiert und ist der erste Versuch, Personifikationen in enzyklopädischer Form zu ordnen. Ripa verwendete ein Stichwortsystem, in dem er Personifikationen unter Begriffe einordnete und ihre unterschiedlichen Aspekte differenzier- te.50 Die erste Ausgabe der Iconologia beinhaltete nur Text und hatte keine Bilder, weshalb auch angenommen wurde, dass Ripa die Absicht hatte, eine Textenzyklopädie über Personifikationen zu schaffen, deren Vorbild eher die Sprachlogik, nicht die Kunstwissenschaft war.51 Seine zweite, im Jahre 1603 erschienene Ausgabe war schon mit Bildern versehen. So bewegte sich Ripa vom Sprachlichen zum Sprachlich-Visuellen und es bildete sich die Bildlehre heraus, in der bestimmte Erscheinungen durch Menschenfiguren beschrie- ben werden, die mit bestimmten Attributen ausgestattet sind. Die von Ripa gesammelten Begriffe umfassten sowohl Text als auch Bild, die sich gegenseitig ergänzten, aber nicht ersetzten – was in der Beschreibung geschrieben stand, musste nicht unbedingt als Bild vorhanden sein. Beide gemeinsam bildeten jedoch ein Ganzes. Ripa begnügte sich nicht damit, einen Begriff nur einmal zu schildern. In seinem Werk hat eine Erscheinung mehrere unterschiedliche Personifikationen, die unterschiedliche Attribute haben und auch inhaltlich eine unterschiedliche Bedeutung haben können. Das sind unterschiedliche Aspekte ein und derselben Erscheinung, so wie sich nach der Tradition von Aristoteles aus unterschiedlichen Aspekten eines Gegenstandes neue Inter- pretationsperspektiven ergeben können. Die Struktur der Begriffsdefinitionen und die Bildstruktur im Ripas Werk sind analog aufgebaut.52 So zum Beispiel hat jede Kardinaltugend mehrere Bedeutungsaspekte, die alle getrennt ge- schildert werden und unterschiedliche Attribute haben.

In Ripas Werk gibt es keine allegorischen Darstellungen, sondern nur Perso- nifikationen von Erscheinungen, die er selbst imagini nennt. Die Personifi- kationen sind etwas, was man mit dem Auge nicht sehen kann, was man aber erkennen oder wahrnehmen kann. Die Imagini müssen ein Bild von dieser

48 Werner 1977, 14.

49 Ibid., 12.

50 Ibid., 79.

51 Thimann 2011, 10; Leinkauf 2011, 32.

52 Leinkauf 2011, 32.

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1. Fede Cattolica. Cesare Ripa, Nova Iconologia […]. 1618. Bayerische Staatsbibliothek München, urn:nbn:de:bvb:12-bsb10522868-8

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2. Speranza. Cesare Ripa, Nova Iconologia […]. 1618.

Bayerische Staatsbibliothek München, urn:nbn:de:bvb:12-bsb10522868-8

3. Carita. Cesare Ripa, Nova Iconologia […]. 1618.

Bayerische Staatsbibliothek München, urn:nbn:de:bvb:12-bsb10522868-8

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Erscheinung vor Augen bringen.53 Ripa hat keine einheitliche Bildsprache geschaffen, da es nicht sein Ziel war. Die Iconologia war für ihn ein belehrendes Werk, das den Menschen dazu bewegen sollte, über die Bilder nachzudenken und zu überlegen. Die Bildsprache durfte nicht zu leicht verständlich sein, sondern sollte eher rätselhaft bleiben. Die Schönheit konnte zum Beispiel nicht durch eine schöne Menschenfigur dargestellt werden, ebenfalls wech- selte Ripa bei Bedarf die Attribute der Figuren, um das Moment des Rätsels zu behalten; das Lösen des Rätsels galt als Belehrung.54 Der Mensch sollte die Begriffe selbst durchspüren und in sich durchdenken. Sehr wichtig waren auch die Gesten der Figuren auf den Bildern, die durch die mittelalterliche Kunst beeinflusst waren, in der bestimmte Informationen durch bestimmte Gesten vermittelt wurden.55 DieDarstellungen von Ripa hatten ein vielseitiges visuelles Material zum Vorbild: Medaillen und Skulpturen der Antike, die Kunst seines Zeitalters, besonders die römische Kunst des letzten Viertels des 16. Jahrhunderts und in erster Linie die Malerei.56

Die allegorische Sprache war im 16. Jahrhundert breit verbreitet und hat- te verschiedene Unterarten, zum Beispiel Emblematik und Impressionen.

Da die Darstellungen auf den Einbänden sehr klein sind und wie Embleme aussehen, könnte man denken, dass dem Einbanddekor Emblembücher als Vorbild gedient haben. Zum Beispiel könnte das Emblembuch von Andree Al- ciati, eines der ältesten Emblembücher, ein Vorbild gewesen sein – ist es aber nicht.57 Symbolistische Begriffe und der Stil der Illustrationen dieses Buches sind anders als der Darstellungsstil auf den Einbänden. Der Einbanddekor greift auf allgemeine Darstellungsauffassungen des 16. Jahrhunderts zurück, sich auf den antiken Nachlass stützend, vor allem auf die Malerei. Auch der Themenkreis steht dem der Malerei nahe, zum Beispiel gehört der Siegeszug der im 16. Jahrhundert öfters dargestellten Heldinnen – Lucretia und Judith – zu den Lieblingsthemen im Einbanddekor. Im Einbanddekor wurden die Figuren den Gemälden möglichst ähnlich dargestellt. Die Malerei diente als Vorbild auch bei der Darstellung biblischer Szenen und bei der Verbreitung der Reformationsideen in der Einbandkunst.

Cesare Ripas Werk Iconologia beinhaltet Informationen des 16. Jahrhunderts über Personifikationen der Erscheinungen – aus eben diesem Grund habe ich

53 Ibid., 11.

54 Ibid., 12; Siehe Ripa 1618, 51.

55 Werner 1977, 17-18.

56 Ibid., 79.

57 Siehe Alciati 1531.

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sein Werk auch für die Interpretation symbolistischer Figuren im Einbanddekor des 16. Jahrhunderts benutzt. Heutzutage ist Ripas Werk eine wichtige Quelle bei der Auslegung der Personifikationen und beim Verstehen der frühneuzeitlichen Bildkultur. Die Darstellung der Erscheinungen, Gefühle und des Unsichtbaren im 16. Jahrhundert hat einen Einfluss auch auf den Einbanddekor ausgeübt, der als ein selbständiges Zeichensystem betrachtet werden kann. Auf den Einbänden sind vor allem Personifikationen der Tugenden, der Planeten und der sieben freien Künste abgebildet, es kommen aber auch Personifikationen der Sinne vor, zum Beispiel eine Figur, die Suavitas heißt. Da diese Figur eine Blume in der Hand hält, die sie an ihre Nase hebt, wird sie als Personifikation des Ge- ruchssinnes interpretiert. Suavitas hat mehrere lateinische Entsprechungen;

die eine ist Süßigkeit – daher wahrscheinlich auch die Interpretation als süßer Geruch, was aber auch allgemeiner als Personifikation süßen Lebens betrachtet werden kann. Die Szenen auf den Bildchen im Einbanddekor können auch mit dem Theater bzw. frühneuzeitlichen Drama verglichen werden, wo die Figur immer im Vordergrund steht und der Hintergrund, ähnlich wie eine Theater- dekoration, mehrschichtig ist und über mehrere sich gleichzeitig abspielende Ereignisse informiert oder die inhaltliche Bedeutung der Figur illustriert. De- tails verfügen im Zeichensystem der Bildsprache über bestimmte Bedeutungen.

So kann eine Geste der Figur oder ein Abbild im Hintergrund, das seine eigene symbolische Bedeutung hat, auf etwas hinweisen, was man zu bemerken und zu begreifen hat. In der Regel sind die Figuren im Vordergrund im Vergleich zu den Details unproportioniert groß, um die Wichtigkeit der Erscheinung oder des Themas zu betonen. Das auf den Bildern dargestellte architektonische Motiv – meist ein Bogenportal – stellt symbolisch das Tor zur Göttlichkeit dar.

Der Zweck dieser Bildsprache ist das Hervorrufen der Emotionen bestimmten Erscheinungen gegenüber und die Belehrung durch diese Gefühle. Vorbilder für so eine Darstellung stammen aus der bildenden Kunst – so kann behauptet werden, dass die Abbildungen im Einbanddekor eine minimierte Form der Kunst des damaligen Kulturraums sind.

Die Ikonologie hat eine lange Tradition. Ihr Anfangspunkt und einer der wichtigen Beeinflusser ist das im Jahre 1593 erschienene Werk Iconologia von Cesare Ripa, dessen Einfluss über seine Zeit hinaus reichte und das auch noch in den folgenden Jahrhunderten ergänzt wurde. Bis zum 20. Jahrhundert aber war sein Werk vollkommen vergessen. In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts war in der Kunstwissenschaft die Stilanalyse des Werkes vorherrschend und die Ikonologie als Methode zur inhaltlichen Auslegung

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des Kunstwerkes wurde nicht benutzt. Darauf kam Aby Warburg zurück,58 dessen Studien wegweisend für die Gründung der Ikonologie als einer neuen For- schungsmethode der Kunstwissenschaft waren. Bis zu den 30er Jahren des 20.

Jahrhunderts hatte sich ein enger Kreis von Kunstwissenschaftler gebildet, die sich mit der Ausarbeitung der Ikonologie als einer Forschungsmethode befass- ten und sich dabei auf Studien von Warburg, Dilthey, Cassirer u.a. stützten.59 Zu diesem Kreis gehörte auch Erwin Panofsky, dessen im Jahre 1939 veröf- fentlichtes Werk „Studies in Iconology“60 allgemein bekannt wurde und die Forschungen mehrerer Generationen beeinflusste. Zum Verdienst des Kreises gehört auch die Wiederentdeckung des Werkes von Cesare Ripa und der Beginn seiner Erforschung im 20. Jahrhundert.61 Bei der Gründung von Panofskys ikonologischer Methode war ein Beeinflusser und Vorbild auch Ripas Werk.62 Er bezeichnete Ripa als Dekan der Ikonologie – des inhaltlichen Begreifens des Bildes – des 16. Jahrhunderts.63 In Panofskys Studien steht der Kreis der Motive, Themen und symbolistischen Allegorien im Mittelpunkt, den er durch eine dreistufige Analyse erforscht. Die Grundlage der vorliegenden Forschung ist nicht die Panofsky-Methode, sondern die Ikonographie wird hier als ein breites Arbeitsmittel eingesetzt, um Bilder zu interpretieren. Deshalb gibt es in der Dissertation auch keine Analyse bzw. Kritik des theoretischen Gedankengutes von Panofsky, welcher früher umfangreich behandelt worden ist.

1.5. Grenzen und Quellen der Forschung

Als Forschungsmaterial habe ich dekorierte Ledereinbände gewählt, die als Renaissanceeinbände bezeichnet werden können. Es werden nur Lederein- bände mit Dekor behandelt. Pergamenteinbände wurden in die vorliegende Arbeit nicht einbezogen, weil ihre technischen Verfahrensweisen und ihr ästhetisches Aussehen sich stark von den Forschungszwecken unterschei- den. Beim Forschungsmaterial spielt eine zentrale Rolle das visuelle Ganze:

Wie die Einbände vom künstlerischen Aspekt aus betrachtet aussehen und wie ihr Dekor ist. Wichtig sind die Darstellungen auf den Einbanddeckeln.

Einer der Zwecke der Forschung ist es, zu beobachten, welchen Einfluss der gesellschaftlich-kulturelle Kontext auf den Einbanddekor ausgeübt hat; diese

58 Abraham Moritz Warburg (1866-1929).

59 Białostocki 1980, 10.

60 Siehe Panofsky 1939.

61 Erna Mandowsky, eine Studentin von Ervin Panofsky, war eine der ersten, die Iconologia von

Cesare Ripa studierte und zu diesem Thema ihre Dissertation verteidigte. Siehe Mandowsky 1934.

62 Thimann 2011, 14.

63 Siehe Panofsky 1980.

Viittaukset

LIITTYVÄT TIEDOSTOT

klassisch und elegant beschreiben auch die Menschen auf dem Bild. Auf Abbildung 2 ist ein Mann mit einem Jungen. Der Junge sitzt auf den Schultern des Mannes. Sie befinden sich

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