• Ei tuloksia

D iese erste aufzeichnung der sage von Kalevanpoika ist zư finden in den berichten der Finnischen priesterschaft über erhaltene

Die sagen von Hermanarich und Kullervo

1 D iese erste aufzeichnung der sage von Kalevanpoika ist zư finden in den berichten der Finnischen priesterschaft über erhaltene

altertümer aus den gegenden von Kajaani an das Antiquitätskolle­

gium 1667-74 und ist abgedruckt in A. I. Ar w id s s o ns urkun- densammlung Handlingar tili upplysning af Finlands häfder, 6. teil, p. 352-4. Auch in der estnischen sage werden mehrere söhne Kalevs erwähnt.

Ku s t a v i Gr o t e n f e l t.

Sigurdsage. Das hinabwerfen des Schwertes in den fluss, worin es dann Kalevipoeg den tod bringt, erinnert ebenfalls m erk­

würdig daran, wie Sigurd den hört der Nibelungen auf den grund des Rheins versenkt. E s sei hier auch erwähnt, dass

Wil h e l m Sc h o tt

schon gleich ein paar jahre nach erscheinen der zweiten Kalevalaauflage in einer Untersuchung über die Kullervosage auf gewisse Übereinstimmungen zw ischen dieser und der Sigurdsage aufmerksam gem acht h at. 1 Einige von den oben bezeichneten episoden sind einander so ähnlich, dass m an sie meiner auffassung nach nicht anders als durch die

•annahme einer entlehnung aus der skandinavisch-germ anischen sage in die estnisch-finnische erklären kann.

W ir sehen aus dem gesagten auch, dass die erzählung von der Verführung der jungfrau und dem daraus entstehenden unglück dem estnischen gedieht so w enig fremd ist wie der Herm anarich- und der Sigurdsage. Scheint doch auch das est­

nische lied die Inselmaid als Kalevipoegs ungekannte schwester -aufzufassen. Diese Sachlage m acht es wahrscheinlich, dass die Verbindung des finnischen liedes von Tuiretuinen mit dem Kul- lervoeyklus, selbst w enn jenes in seiner gegenw ärtigen form von andersw o hereingekommen ist, nicht ohne bereits vorher vorhandenen anlass erfolgt ist. In einer Variante des liedes heisst der vater T uros und der jungfrau „Ism arut“, w as eben­

falls einen Zusamm enhang mit der sage von Kalevanpoika an d en tag legt. W ir haben hier eines der schwierigsten probleme der sagenforschung vor uns: in welchem gràde die von ver­

schiedenen seiten kom m enden Strömungen auf ein und dieselbe sage eingewirkt haben und in welchem grade der neue zusatz zu der sage an die stelle einer vorher darin enthaltenen ähnli­

chen episode hat eindringen können. Jedoch lasse ich diese schw ierige frage, deren lösung für mein them a nicht unum ­ gänglich nötig ist, auf sich beruhen.

E s ist oft auf die Verschiedenheit hingewiesen worden, die sich darin äussert, dass die früher in Sklaverei lebenden esten ihren Kalevipoeg als mächtigen könig aufgefasst haben, w ährend das ehedem freie finnische volk seinen Kullervo als

1 Wil h e lm Sc h o t t, Über die finnische Sage von Kullervo (Abhandl. der Akademie der W issenschaften zu Berlin 1852).

arm en Sklaven schildert. E s ist wohl ausgemacht, dass die estnische diktion, hierin mit der der skandinavischen sagen übereinstimmend, ein ursprünglicheres niveau darstellt als die finnische. Die finnen, die nie mächtige könige über sich ge­

habt haben, versetzten ihren Kullervo in die ihnen bekannte Umgebung, als gewöhnlichen kriegsgefangenen.

Aber trotzdem fehlt auch in dem finnischen lied nicht jede spur davon, dass Kullervo vordem als vornehmer königs- sohn aufgefasst worden ist. „Sinisukka Äijön poika, kengän kauto kaunokainen“ (der sohn des Alten „mit den blauen Strümpfen am fuss, in den zierlichen lederschuhn“) scheint nicht immer so verachtet gewesen zu sein, wie uns der jetzige verlauf der dichtung annehm en lässt; in eine solche richtung deuten auch die beinamen „kriegsedel“ und „goldbeschnallt“

(sotijalo, kultasolki). Als beweis könnte auch Kullervos steuer­

reise geltend gem acht werden, die sicher ursprünglich die ein- nahm e, nicht die Zahlung der steuern bezweckt hat — w as auch schon die heutige Kalevalarune zu erkennen giebt, wrenn erzählt wird, wie er auf der h e i m f a h r t „aukaisi rahaisen arkun, kimahutti kirjokannen, näytteli hope’itansa, verkaliuskoja levitti“ (öffneť seine kiste mit schätzen, schlug den zierlichen deckel auf, zeigte den reichen Vorrat an silber, liess die schö­

nen gew änder sehn) — w enn dies nicht in das lied von Tuire- tuinen gehörte, welches w ir ja vom vergleich auszuschliessen empfohlen haben. 1 Aber in den Varianten aus dem volks­

munde stossen w ir noch auf mehrere stellen, die ihm eine gegen die heutige glänzendere herkunft zuschreiben. Bei der Schilderung von Untam os krieg gegen seinen bruder Kalervo z. b. erzählt das lied: „ei paista Jum alan päivä, kuumottele kuu Jum alan, paistavat sotisatulat, sotilänget läimättävät, soti- suitset kuumottavat, huuahtavat sota-orhit“ (keine gottessonne scheinet, und kein gottesmond erstrahlet, kriegersättel nur er­

glänzen, kriegerkummete erklingen, kriegerzäume blinken ferne, jäh aufwiehern kriegerhengste), „Untamon sota tulevi Kaler­

volle veljellehen, viisinkymmenin hevosin, viisin miekoin miehen päälle“ (das kriegsheer Untam os kommt gegen seinen bruder

1 Man vergleiche diese steuerreise Kullervos mit Saxos erzäh- lung, wie Jarmerik von den besiegten Völkern trib u t erhebt.

6o Ku s t a v i Gr o t e n f e l t.

Kalervo, mit fünfzig pferden, jeder m ann mit fünf Schwertern)

— die Schilderung verleiht augenscheinlich Untam o und Kalervo die Stellung von Stammeskönigen des altertums, man möchte sagen: der zeit der volkwanderung. In einem bruchstück wird von Unto und in ändern von Kullervo selbst der nam e könig gebraucht. Die oben zitierten worte von Kalevanpoikas tod auf den grossen schlachtgefilden geben dem heiden gleichfalls den rang eines fürsten und m ächtigen heerführers.

W ir sind hiermit am Schlüsse unserer Vergleichungen an ­ gelangt. Unsere betrachtungen haben zu den folgenden resul- taten geführt. Das finnische Kullervolied und der estnische Kalevipoeg haben einander ursprünglich sehr nahe gestanden und stam m en augenscheinlich aus einer quelle. Das estnische gedieht steht auf einer älteren stufe, w enn es seinen heiden als mächtigen königssohn schildert, eine auffassung, von der die finnischen liedvarianten noch deutliche spuren aufweisen.

Dagegen hat die finnische sage von Kullervo oder K alevan­

poika den gang der erzählung viel besser und unverderbter erhalten als der Kalevipoeg. Die ursprüngliche form der sage, soweit sich dieselbe klarstellen lässt, zeigt bem erkenswerte Über­

einstimm ungen mit der sage von dem germ anisch-skandinavi­

schen Herm anarich, besonders in der form, die uns in Saxos erzählung begegnet, und der damit zusam m enhängenden Sigurd­

sage. Diese Übereinstimmung ist so gross, dass sie nicht erklärt w erden zu können scheint ohne die annahm e einer ursprünglichen gemeinschaft beider. Und ist ein solche w irk­

lich befremdend? W enn w ir uns entsinnen, wie es der Sprach­

forschung gelungen ist uralte entlehnungen aus der gotischen und der urnordischen spräche ins finnische nachzuweisen, w äre es aber merkwürdig, w enn nicht auch im gebiet der sagenw eit berührungen aus grauer vorzeit nachw eisbar wären.

Ohne behaupten zu wollen, dass ich zu irgendwelchen

endgiltigen ergebnissen über das Verhältnis der Kalevanpoika-

sage zu den verschiedenen germ anischen sagen gekom m en sei,

und indem ich die hier angeregte frage einer zukünftigen sagen-

forschung zur weiteren behandlung und entscheidung überlasse,

glaube ich dennoch, dass ein Zusam m enhang zw ischen diesen

sagen unleugbar ist. Da sich in den letztverflossenen jahrzehn-

ten diejenige ansicht immer schroffer erhoben hat, die die

entstehung der finnischen — wie auch der germ anischen und skandinavischen — lieder und sagen in verhältnism ässig späte zeiten und oft unter christlichen einfluss zu rücken sich bestrebt hat, habe ich es um so mehr für geboten angesehen faktoren vorzubringen, die in eine andere richtung weisen. Die for- schung wird dadurch im höchsten m asse erschwert, dass uns zur beleuchtung der frage nach der früheren fassung der finni­

schen mythen keinerlei alte quellen zur hand sind, dies aber beweist natürlich in keiner weise etw as bezüglich des geringe­

ren alters der sagen, da wir ja auch gar nicht erwarten kön­

nen ältere aufzeichnungen derselben aufzufinden, und es über­

hebt auch die Wissenschaft nicht der aufgabe, der bestimmung ihres wirklichen alters nachzustreben.

Helsingfors.

Ku st a v i Gr o t e n f e l t,