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5   EIN PROZESSUALES DAF-SCHREIBPROJEKT AUF DER

5.1   BEFRAGUNG ZU LERNERERFAHRUNGEN MIT DEM DAF-

5.1.1.1  Bisherige DaF-Schreiberfahrung und -praxis der Lernergruppe

~ Was für Texte/Aufsätze hast du in der Schule oder als Hausaufgabe auf Deutsch geschrieben? Welche Unterschiede gibt es im Aufsatzschreiben zwischen der Grundschule9 und der gymnasialen Oberstufe?

Mit Frage 1 möchte ich einen Überblick über die gymnasiale DaF-Schreibpraxis der Lernergruppe gewinnen und ihren Übergang von der Grundschule in die gymnasiale Oberstufe hinsichtlich der DaF-Schreibfertigkeit ermitteln. Es wird erwartet, dass in den Antworten typische Aufgaben und Textsorten, Schreibthemen und Aufgabenumfang beider Schulstufen thematisiert werden. Die zweite Frage bezieht sich auf die Produktion: die Arbeitsweisen im bisherigen schriftlichen DaF-Lernweg werden voraussichtlich auch thematisiert.

Die Frageformulierung benennt keinen besonderen Aspekt der Schreibaufgaben – Thema, Textsorte, Mitteilungszweck, Rezipient – oder des Schreibens. Daher ist es interessant, worauf sich die Antworten konzentrieren. Einen ganz offensichtlichen Konzentrationspunkt der Antworten auf die erste Frage bildet der Wortumfang der Schreibprodukte: in elf von zwölf Antworten wird eine durchschnittliche Wortzahl der schulischen Schreibprodukte angegeben, z. B. „100-250 Wörter je nach dem Thema; in der gymnasialen Oberstufe 150-250 Wörter, in der Grundschule vielleicht

8 Bei der Formulierung aller Fragen wurde ferner danach gestrebt, dass das produktive Beantworten der Fragen die Gedanken und Gefühle der Lerner zum Thema DaF-Schreiben aktiviert und zusammenfasst. Dadurch hätten auch die Lerner Nutzen von diesem auch geringen Zeitaufwand. An spätere Verwendung ist auch gedacht worden, also dass Lehrende mit einem solchen Fragebogen Information von neuen Lerner(gruppe)n sammeln könnten. Das letztgenannte Ziel wurde erreicht, da der Lehrer der Gruppe den Fragebogen für sich und Kollegen zur späteren Verwendung haben wollte.

9 Mit „Grundschule“ wird in der vorliegenden Arbeit auf die Klassen 1-9 der finnischen Schule (auf Finnisch

„peruskoulu“) hingewiesen.

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100-150“. Auch die Antwort, wo die Wortzahl nicht genannt wird, bezieht sich auf den Umfang: „In der Oberstufe gab es seltener Aufsätze und sie waren kürzer und bescheidener.“10 Nach den Antworten variiert der Wortumfang in der gymnasialen Oberstufe zwischen 100 und 250 Wörter.

Ein vom Lehrer gegebener Aufsatztitel findet in zehn Antworten Erwähnung. In zwei Antworten wird eine Titel- bzw. Themaauswahl verbalisiert und in fünf Antworten weist die Pluralform (die Titel bzw. die Themen) auf eine Auswahl hin. Sieben Lerner thematisieren eine gegebene Spezifizierung, die den Titel oder das Thema beschreibt:

z. B. „Meistens ist ein Titel und eine Wortzahl (150-200) angegeben worden und öfters auch eine kleine Vorentlastung.“; „ […] meistens wird das Thema mit ein paar Sätzen fokussiert oder erweitert“; „ […] eine kleine Beschreibung des Themas“; „ […]

eine kleine Beschreibung“. Zwei von ihnen haben diese Spezifizierungen als normativ interpretiert: „ […] was der Aufsatz beinhalten soll“; „ […] und oft eine kurze Erklärung, welche Sachen der Aufsatz beinhalten sollte“. Diese Spezifizierungen können wenigstens in zwei Hinsichten problematisch sein: bei genauen Themabeschreibungen versteckt sich die Gefahr, dass sie die Planung des Textes, besonders die kognitiven Prozesse der Inhaltsbegrenzung, ersetzen. Dieses schulische Phänomen, das aus den Vergleichbarkeitsanforderungen der Benotung resultiert, bezeichnet Baurmann als externe Planung. Die Schreibmotivation sowie die Einsicht in die schriftliche, produktive Fertigkeit als eine Form des Selbstausdrucks können dadurch geschädigt werden. (Baurmann 1995, 53-54, 61-62). Ferner kann sich ein schwächerer Schreiber, der eine Themabeschreibung als Inhaltsherausforderung interpretiert, beim Schreiben überfordern.

Allen Antworten ist gemeinsam, dass der Schwerpunkt der Beschreibung auf der Ebene der technischen Bedingungen der Aufgabe liegt, während Textsorte und Kommunikationssituation wenige Erwähnungen finden. Der Brief wird als übliche Aufgabe dreimal genannt: zwei Lerner meinen, dass unter den Aufsatztiteln bzw.

Schreibaufgabenstellungen öfters auch der Brief steht, z. B. „ […] viele mögliche Themen zum Wählen. Unter ihnen oft auch der Brief und den hat man mehrmals geschrieben“. Durch die kommunikative Betonung in der Lernzielsetzung haben die kommunikativen Textsorten eine sogar überproportionale Rolle unter den Schreibaufgaben. Die Folgen eines einseitigen kommunikativen Schreibens können sogar über die schreibspezifischen Strategien hinausragen, weil mit den argumentativen Textsorten auch der mündliche Ausdruck des „subjektiven Empfindens und Wertens“ zu verstärken ist (Kast 1989, 9; Börner 1989, 357).

Ein Lerner erinnert sich an Briefe und Kurzgeschichten als Schreibaufgaben der Oberstufe. Ein Lerner formuliert den Aufgabentyp „Was würdest Du tun, wenn Du im

10 Besonders in den Lernerzitaten wird auf die Klassen 7-9 der finnischen Schule (früher yläaste) mit der kurzen Form „Oberstufe“ hingewiesen.

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Lotto gewinnen solltest oder auf eine einsame Insel geraten wärest“ als üblich; diese traditionellen Aufgaben zielen auf das Üben der konditionalen Verbformen.

Das Schreibthema wird zwar mehrfach erwähnt, aber überwiegend als Komponente der Aufgabenstellung: In zehn Antworten wird das Wort Thema verwendet und acht Antworten davon sind mit der Aufgabenstellung verbunden. In einer Antwort finden Familie, Umwelt und Schule als Themenbereiche Erwähnung. Diese gehören zu den Themenbereichen, die das finnische Unterrichtsministerium für Fremdsprachenunterricht festgesetzt hat (LOPS 2003, 24 ff.).

Zu den Unterschieden zwischen den Schulstufen schreiben vier Lerner, dass in der Oberstufe der Grundschule überhaupt selten oder kaum Aufsätze geschrieben wurden, und zwei meinen, dass es da überhaupt keine Aufsätze gab. Erwartungsgemäße Erwähnungen, dass die DaF-Produkte der Oberstufe kurz waren, gibt es sechs, z. B.

„In der Grundschule gab es seltener Aufsätze und sie waren kürzer und bescheidener“; „In der Grundschule [ist/war] der Wortumfang kleiner und die Bewertung lockerer“. Aufgabentypen und -stellungen der Oberstufe werden wenig spezifiziert: ein Lerner stellt fest, dass in der Grundschule Kurzgeschichten und Briefe geschrieben wurden und laut zwei Lernern werden die Aufsätze der Grundschule zu einem gegebenen Titel geschrieben, z. B. „In der Grundschule kürzere [Aufsätze]11 und in der Grundschule hat es nur den Titel, keine Hilfsfragen oder sowas gegeben“.

Die Schreibpraxis der Grundschule scheint sehr gering zu sein, was nicht überrascht;

Luukka et. al. stellen fest, dass die Oberstufenlehrer in Anlehnung an den Lehrplan die mündlichen Produkte für wichtiger halten als die schriftliche Produkte: die mündliche Produktion wird mehr und variationsreicher geübt. Die Alltagskommunikation ist der offensichtliche Schwerpunkt aller Produktion (Luukka et. al. 2008, 110 ff.).

Es stellt sich die Frage, warum in der Grundschule bloß aufgrund eines gegebenen Titels geschrieben worden ist. Werden weitere Anweisungen oder Modelltexte von Lehrenden als eine Belastung für die Lerner angesehen? Das Phänomen der externen Planung kommt dann nicht vor, was als positiv gilt. Die erwähnten Textsorten sind kreativ, narrativ und kommunikativ, was angesichts der Schreibmotivation günstig ist, wenn der freie Ausdruck nicht begrenzt wird (Krumm 1989, 7). Im Untersuchungsprojekt von Luukka et al. stellte sich wiederum heraus, dass in der Grundschule in den Fremdsprachen deutlich seltener als in der Muttersprache Aufsätze bzw. Kurztexte geschrieben werden (Luukka et al. 2008, 109). Die Lerner sind also in den Fremdsprachen keine routinierten Textproduzenten, wenn sie ihren gymnasialen Lernweg beginnen.

11 Fehlende Satzteile der Lernerantworten, wo auf die Fragestellung oder auf den vorausgehenden Satz der Antwort hingewiesen wird, sind von der Verfasserin ergänzt worden: normal geschrieben und in eckigen Klammern.

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Dass die Schreibaufgaben bzw. -themen auf der gymnasialen Oberstufe anspruchs-voller sind, findet dreimal Erwähnung und wird in zwei Antworten mit positivem Klang formuliert: „Heute sind die Themen ab und zu auch anspruchsvoll gewesen.“

und „ […] etwas anspruchsvollere und abwechslungsreichere Themen. In der gymnasialen Oberstufe mehr Möglichkeiten zu schreiben.“ Ein Lerner meint, dass man sich in der gymnasialen Oberstufe bei den Aufsätzen mehr auf die Form und Richtigkeit konzentriere. Es können anscheinend die gleichen Schreiberfahrungen als eine Möglichkeit zum Selbstausdruck oder als ein Test der sprachlichen Kompetenz interpretiert werden. Die letztgenannte Funktion dürfte aber die erste nicht verdrängen. Eine Didaktik des Übergangs von den einfacheren Schreibaufgaben der Oberstufe zu den anspruchsvolleren Texten der gymnasialen Oberstufe thematisieren die Lerner nicht. Schreibaufgaben und Aufsätze, in denen Hilfe und Steuerung im Schreibprozess dargeboten wurde, thematisieren die Antworten überhaupt nicht.